Triple-Win bei Retail Media: Interview mit OBI-Expertin Patricia Grundmann
von Florian Treiß am 26.Oktober 2022 in Interviews, News, Retail Media„Wir sehen in einem wachsenden Retail-Media-Markt große Chancen für neue Zielgruppen und neue Markenpartner, die von unserer umfassenden Expertise und langjährigen Erfahrung profitieren werden“, sagt Patricia Grundmann, Direktorin Retail Media der 2018 gegründeten OBI First Media Group, der Retail-Media-Tochter der Baumarktkette OBI. Mehr als 50 nationale und internationale Marken von Bosch über Kärcher bis Weber nutzen das Angebot bereits. Nun öffnet sich OBI First Media auch für Kunden außerhalb des klassischen Do-it-yourself-Segments (DIY). „Marken mit einem guten Fit zu unserer Zielgruppe im Umfeld Home & Garden sowie DIY bieten wir die Möglichkeit, Retail Media für sich zu nutzen – und in einem echten Wachstumsmarkt passgenau tätig zu sein“, sagt Patricia Grundmann. Im Interview mit Location Insider verrät sie, was die Triple-Win-Situation bei Retail Media ist und welche Rolle dabei Kundenbindungsprogramme wie heyOBI spielen.
Location Insider: Wie ist OBI in den Bereich Retail Media eingestiegen?
Patricia Grundmann: Von Beginn an war es das Ziel der OBI First Media Group, unsere Stärke und Expertise in der Kundendatenanalyse auch für unsere Markenpartner nutzbar zu machen. Der großartige Mehrwert von Retail Media ist ja, dass es systematisch das ganze Wissen, das in einem Handelsunternehmen an vielen Stellen vorhanden ist, durch verschiedene Werkzeuge bündelt. Und so lässt sich das verdaulich und gleichzeitig faktenbasiert darstellen, dass Markenpartner für sich ableiten können: Wer kauft meine Produkte? Wer verwendet sie? Welche Zielgruppen und Personas stecken dahinter? Mit dem Ziel, diesen Mehrwert unseren Markenpartnern zur Verfügung zu stellen und sie so darin zu unterstützen, ihre Kundinnen und Kunden besser zu verstehen, sind wir vor vier Jahren gestartet. Weil wir gesehen haben, dass es auch einen darüberhinausgehenden großen Beratungsbedarf gibt und wir hier durch die tägliche Praxis sehr viel Expertise haben, bieten wir das jetzt ähnlich einer Media-Agentur auch an. Parallel dazu haben wir verschiedene Werbeformate aufgebaut, die die Marken bei uns nutzen können.
Location Insider: Was ist für Sie das Charmante an Retail Media?
Patricia Grundmann: Die Triple-Win-Situation: Retail Media funktioniert als Ganzes nur, wenn der Markenpartner bzw. Hersteller zufrieden ist, der Händler zufrieden ist, und beide sind wiederum nur zufrieden, wenn der Dritte im Bunde, also der Kunde, zufrieden ist. Win-Win-Win also. So wollen wir bei OBI unbedingt, dass die Kampagnen unserer Partner funktionieren, damit unsere Kundinnen und Kunden bestmöglich befähigt werden. Das macht es im Dreieck zu einer Triple-Win-Situation. Alle drei sind interessiert an dem Erfolg der jeweils anderen Player.
Location Insider: Wie kann man sich dieses Dreieck genauer vorstellen?
Patricia Grundmann: Wir als OBI First Media Group bieten Marketingleistung für die Marketingabteilung des Herstellers an. Das Spannende an unserem großen und umfassenden OBI Ökosystem ist, dass wir das als ganze Mediakampagne über die passenden eigenen und externen Kanäle – also in Print, im Digitalen, in den Märkten oder auf der App – ausspielen können. Wir greifen dazu zum Beispiel relevante, saisonale Themen auf und bauen eine komplette Kampagne inklusive Text und Visuals für die verschiedenen gebuchten Touchpoints mit den Produkten des Herstellers auf, die innerhalb der Kampagne beworben werden sollen. Durch unser umfangreiches Kundenwissen und das gezielte Targeting ermöglichen wir allen Parteien den genannten Win. Der Kunde erhält für ihn und seine Lebensumstände bzw. seine individuellen Use Cases passende Inhalte, die Partnermarke kann sich so bei höchster Wahrnehmbarkeit absolut relevant beim Kunden platzieren und wir profitieren von zufriedenen Kunden, die wir mit dem passenden Produktangebot enablen konnten.
Location Insider: OBI will sich jetzt öffnen für Marken jenseits der Do-it-yourself-Welt. Für welche Marken ist OBI spannend?
Patricia Grundmann: Tatsächlich denke ich gar nicht an bestimmte Marken, sondern jede Marke muss selbst für sich entscheiden, ob unser Umfeld für sie relevant ist und unsere Botschaften zu ihrer Zielgruppe passen. Für alle Produkte, die im Kontext der Haus- und Gartenbesitzer und der DIY-Community gut platziert sind, sind wir sicher ein sehr guter Anbieter, weil wir hier sehr viele langfristige und gute Kundenbeziehungen haben und es ein starkes Vertrauen in uns als Marke gibt. Zudem haben wir eine tiefe Markt-Expertise und relevante Daten. Kundinnen und Kunden, die zu uns kommen und das ganz unabhängig davon, ob sie in den Märkten, in unserem Onlineshop oder der heyOBI App unterwegs sind, haben immer einen bestimmten Bedarf im Umfeld ihres Zuhauses: Sie wollen sich informieren oder sind bereits auf einer Aktions- oder Shopping-Journey. Dieses Anliegen kann von unterschiedlichen Unternehmen aufgegriffen werden: Das kann ein Umzugsunternehmen sein, das könnte ein Kommunikationsanbieter sein oder auch TV-Anbieter. Es kommt auf die Botschaft an, die ich an die jeweilige Zielgruppe derjenigen, die sich gerade mit ihrem Zuhause beschäftigen, passgenau senden möchte. Tatsächlich ist da viel Potenzial in alle Richtungen.
Location Insider: IKEA macht eine Podcast-Reihe, wo ebenfalls das Thema Zuhause im Mittelpunkt steht. Denken Sie auch in Richtung solcher Content-Formate?
Patricia Grundmann: Im Fokus unserer Überlegungen steht immer der Ansatz unsere Kundinnen und Kunden zu befähigen. Das haben wir beispielsweise bei OBI ja auch gerade mit unserer „Wir alle sprechen DIY“-Initiative gezeigt, in der es darum geht, unsere beliebtesten Video-Tutorials in verschiedene Sprachen zu übersetzen. Weil die Bereiche Haus und Garten und DIY meiner Meinung nach sehr stark von Bildern und Visualisierungen leben, denken wir da aktuell weniger in Richtung Podcasts. Content-Formate geben uns sehr viele Möglichkeiten, den DIY-Aspekt mit all seinen Stärken wie Individualität und Werkstolz zu betonen, deswegen bauen wir hier gerade aus: sowohl was nutzergenerierte Inhalte als auch professionell erstellten Content angeht. Sicher sind Podcast irgendwann auch für uns spannend, aber an erster Stelle stehen erstmal die Tutorials – ob Video oder im Online-Magazin – und die enge Verknüpfung mit der Expertise unserer Mitarbeitenden in den Märkten.
Location Insider: Spielen Influencer im DIY-Segment auch eine Rolle? Und mischen Sie da schon mit, mit Influencer-Kooperationen?
Patricia Grundmann: Ja. Influencer spielen bei uns immer dann eine Rolle, wenn es sinnvoll ist, eine Botschaft durch einen Dritten authentisch zu verstärken und an andere Orte oder in neue Zielgruppen zu tragen. Etwa bei der gerade erwähnten DIY-Kampagne. Hier haben wir uns die Unterstützung von Influencern geholt, die einen Bezug zu den Sprachen hatten, in die wir unsere Videos übersetzt haben. Diese konnten aus erster Hand ihren Communitys sagen „Schaut mal, für mich oder für meine Eltern ist es viel, viel leichter, wenn ich das in meiner Muttersprache konsumiere.“ So können wir Menschen erreichen, die unsere Kanäle noch nicht abonniert haben und unsere Themen aus anderen Perspektiven betrachten, etwa wie schwer es sein kann, alle Informationen nur auf Deutsch vorzufinden. Von diesen Kooperationen profitieren dann – ähnlich wie bei Retail Media – alle Player.
Location Insider: Sie engagieren sich auch in der neuen Initiative Retail Media des Digitalverbands BVDW. Was planen Sie dort?
Patricia Grundmann: Obwohl es dort absolut seinen Platz verdient hat, ist Retail Media heute noch lange nicht im Media-Mix von jeder Kampagne. Sich im BVDW gemeinsam mit anderen Händlerinnen und Händlern zusammenzutun und die Botschaft rauszutragen: „Das ist ein relevantes Thema“, und so gemeinschaftlich für die Bekanntheit von Retail Media zu sorgen, das ist ein – mein – Ziel. Damit es nicht ein reines Buzzword wird, ist es wichtig eine einheitliche Definition für Retail Media zu finden – für Deutschland und Europa. Viele denken, dass damit Sponsored Products in Suchanfragen innerhalb von Webshops gemeint sind. Das ist aber längst nicht die zentrale Disziplin von Retail Media! Dann werden wir im BVDW auch daran arbeiten, verbindliche Standards zu entwickeln. Das ist auch einer der nächsten Schritte.
Location Insider: Was für Standards haben Sie da im Sinn?
Patricia Grundmann: Das setzt auf verschiedenen Ebenen an: Momentan ist die Zusammenarbeit oft sehr kleinteilig, sodass für jeden einzelnen Händler eigene Formate kreiert werden. Hier müssen Standards geschaffen werden, die das für die Werbepartner vereinheitlichen. Und wir brauchen spezifische KPI-Standards, also ein Set von zwei, drei Leistungskennzahlen, nur für Retail Media. Wir sehen ja die ganze Customer Lifetime einer Kundin oder eines Kunden, also vielmehr als beispielsweise ein Werbeformat, das nur den einfachen Klick auf eine Anzeige misst. Deswegen arbeiten wir gemeinsam mit anderen großen Handelsunternehmen wie Otto, Douglas, Media Markt/Saturn sowie Notebooksbilliger an eigenen verbindlichen KPIs. An dem Engagement von wirklich vielen Unternehmen und dem Mitgliederantrag für diese Initiative merkt man sehr, wie groß hier der Bedarf ist.
Location Insider: Inwiefern spielen Kundenbindungsprogramme bei Retail Media eine zentrale Rolle?
Patricia Grundmann: Eine sehr zentrale Rolle. Gerade nachdem wir unseren Papierbeileger in diesem Jahr zentral eingestellt haben, setzen wir für unsere Kundenbindung verstärkt auf unsere Plattform heyOBI, auf der heute mehr als 3,5 Millionen Nutzerinnen und Nutzer registriert sind. Wir glauben ganz fest daran, dass wir den Kundinnen und Kunden echte Mehrwerte bieten müssen, um erwarten zu dürfen, dass sie bei uns einkaufen und auf unsere Expertise vertrauen. Das ist auch eine Frage von Selbstverständnis und Respekt, den wir unseren Kundinnen und Kunden entgegenbringen. Dazu gehören niedrigschwellige Beratungsangebote, mit denen unsere Kundinnen und Kunden auf ihre bevorzugte Art und Weise sich von unseren Mitarbeitenden zu ihrem Projekt Hilfe holen können, aber auch so etwas wie der heyOBI Pflegekalender für den heimischen Garten oder Balkonpflanzen. Wenn ich bestimmte Pflanzen kaufe, dann wird das auf Wunsch erfasst, und die App kann mir dann Tipps geben, wie ich diese Pflanze etwa der Jahreszeit entsprechend am besten pflege. Das ist für mich eine authentische Art und Weise, mit der man gewonnene Daten zur Unterstützung von Kundinnen und Kunden nutzen kann. Eine weitere ist die Möglichkeit über die Kundenkarte auf Wunsch, alle stationären Käufe mit der Online-Journey zu verbinden und das dann über die heyOBI App zu historisieren. Wir behandeln solche Daten komplett anonym und nutzen sie, um dann mittels Big Data und Machine Learning auf einer größeren Kohorten-Basis neue Use-Cases abzuleiten.
Location Insider: An was denken Sie dabei?
Patricia Grundmann: Wenn sehr viele Kundinnen und Kunden diese Artikelkombination gekauft haben, können wir daraus Rückschlüsse ziehen und unser Angebot noch stärker anpassen. Wir wollen, dass sich unsere Kundinnen und Kunden von uns verstanden fühlen und nicht jemand, der eine Stadtwohnung hat, gefragt wird, ob er seinen Pool nicht mal reinigen möchte. Ein Zuhause ist etwas zutiefst Emotionales und wenn uns unsere Kundinnen und Kunden hier ein Stück weit rein lassen, begegnet OBI ihnen mit Respekt. Um diesen so vermitteln zu können, wie wir das wollen, benötigen wir ein bestimmtes Wissen. Wenn wir zeigen, dass wir solche Daten im Sinne unserer Kundinnen und Kunden nutzen, wird das von ihnen auch erkannt und gewürdigt – davon ich fest überzeugt.
Location Insider: Vielen Dank für das Gespräch.
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