Vom Quick-Commerce-Startup zum Telemedizin-Anbieter: CURE-Gründer Ali El-Ali im Interview.

von Florian Treiß am 15.Februar 2022 in Highlight, Interviews, News

CURE-Gründer Manuel Aberle (vorne links) und Ali El-Ali (vorne rechts) mit ihren Ridern

„Es ist etwas gänzlich anderes ein Restaurant mit Lieferservice für die eigene Plattform zu gewinnen (Lieferando etc.), als eine Apotheke in dritter Familiengeneration. Um in diesem Markt erfolgreich zu sein, benötigt es Expertise im Umgang mit den Apotheken“, sagt Ali El-Ali. Vergangene Woche hat er gemeinsam mit seinem Co-Gründer Manuel Aberle in Berlin CURE gelauncht, einen Schnelllieferservice für Medikamente, der mit alteingessenen Apotheken kooperiert. Vorab haben die beiden Jungunternehmer von Investoren vier Millionen Euro für CURE eingesammelt. Wir haben mit Ali El-Ali darüber gesprochen, welche Herausforderungen das Thema Quick Commerce für Apotheken mit sich bringt, was er sich von der Einführung des E-Rezepts verspricht und ob CURE nicht bald von einem größeren Lieferdienst geschluckt werden könnte.

Location Insider: Cure möchte Medikamente in wenigen Minuten liefern. Wer benötigt einen solchen Service, wer ist also Eure Zielgruppe?

Ali El-Ali: Wir richten uns mit unserem Service vor allem an die Menschen, denen es zu schlecht geht, um in die Apotheke zu gehen. Dazu gehören viele ältere Menschen. Und auch solche, die sich in Zeiten von hohen Infektionsraten möglichst wenig an Orten aufhalten wollen, an denen sie sich potenziell bei anderen kranken Menschen anstecken können. Mit unserem Lieferdienst wollen wir zu einer schnellen Genesung beitragen, bei gleichzeitiger Minimierung des Infektionsrisikos.

Location Insider: Medikamente sind mitunter beratungsbedürftige Produkte. Wie geht Ihr diese Herausforderung an?

Ali El-Ali: Neben unserem Lieferdienst planen wir zukünftig als Telemedizin-Anbieter auch die Ausstellung von Rezepten sowie eine gesundheitliche Beratung für unsere Kund*innen. Somit können wir unser Produktsortiment langfristig ausweiten und Patient*innen umfassend zu Produkten beraten.

Location Insider: Mit First A, Mayd und Kurando gibt es schon einige Lieferdienste für Medikamente. Ist da überhaupt noch Platz für einen weiteren Anbieter?

Ali El-Ali: Wir sehen das nicht als Problem. Nach MAYD sind wir das am besten finanzierte Start-up in dieser Branche. Dazu haben wir ein beeindruckendes Team und dadurch eine starke Expertise für ein stark reglementiertes Gebiet. Mehr Anbieter auf dem Markt bieten auch ein größeres Angebot. Es ist kein The-winner-takes-it-all-Markt. Vielmehr sehen wir hier die Chance, uns zu positionieren und mit CURE den besten Service zu bieten. Dafür sind für die folgenden Punkte ausschlaggebend:

Wir setzen auf das geballte Know-how namhafter Investoren aus der Digitalbranche, die neben ihren innovativen Lösungsansätzen für Herausforderungen der Gegenwart auch ein Gespür für Zukunftsthemen verbindet. Außerdem haben wir ein starkes Team aus der Ops- und Healthcare-Branche, das das nötige Wissen für Erfolg zusammenbringt. Unser Kernteam besteht aus ehemaligen Führungskräften von Google, Wolt, Foodpanda, Glovo und Gorillas, die wertvolle Einblicke in die Lieferdienstbranche haben.

Es ist etwas gänzlich anderes ein Restaurant mit Lieferservice für die eigene Plattform zu gewinnen (Lieferando etc.), als eine Apotheke in dritter Familiengeneration. Um in diesem Markt erfolgreich zu sein, benötigt es Expertise im Umgang mit den Apotheken. Sie stellen einen unersetzlichen Teil unserer Plattform dar und genau mit diesem Ansatz kooperieren wir mit den Apotheken. Es gibt viele Einzelheiten zu Arbeitsabläufen, die man nur in Erfahrung bringen kann, wenn man selbst Apotheker*innen bzw. Apothekenberater im Team hat. Auch hier unterscheiden wir uns.

Location Insider: Was wollt Ihr anders machen als die Konkurrenz?

Ali El-Ali: Unser erstes großes Ziel ist es, unseren Lieferservice auf europäischer Ebene zu etablieren. Anders als andere Unternehmen sehen wir uns in dieser Sparte nicht als reinen Quick-Commerce-Anbieter und haben bereits Pläne, unser Geschäftsmodell schnellstmöglich auszubauen. CURE soll in Zukunft nicht nur Medikamente ausliefern, sondern auch einen Telemedizin-Anbieter für die Ausstellung von Rezepten und eine Beratungsschnittstelle bereitstellen. Die Einführung des E-Rezepts wird hierbei unterstützen. Das langfristige Ziel ist, CURE als „die“ Gesundheitsplattform zu etablieren, auf der Nutzer und Nutzerinnen rund um das Thema Gesundheit versorgt werden.

Im Gegensatz zu anderen Unternehmen sind wir davon überzeugt, dass ein wertschätzendes Miteinander nicht in Konkurrenz zum Gewinnstreben stehen muss. Ist es nicht aufregend, dass jeder Akteur der Branche die Chance hat, diesen Markt mitzugestalten? Dabei geht es nicht nur um die Verbraucherseite, sondern vor allem um die Chance, Quick Commerce zu einer Branche zu machen, die ihre Mitarbeiter wertschätzt und nicht nur als reine Arbeitskraft sieht.

Location Insider: Lieferdienste haben mitunter ein schlechtes Image, oft geht es um schlechte Arbeitsbedingungen. Wie wollt Ihr dagegen angehen?

Ali El-Ali: Viele Unternehmen in der Quick-Commerce-Branche wurden in der Vergangenheit zurecht kritisiert, weil sie schlechte Löhne zahlen und ihre Mitarbeitenden unter enormem Druck arbeiten. Das ist bei uns anders. Unsere Rider sind unsere Heroes. Ohne sie gibt es keine Auslieferungen und dafür braucht es auch gute Arbeitsbedingungen. Neben einem fairen Lohn wird bei CURE viel Wert auf die Gesundheit der Mitarbeitenden gelegt. Zwischen den Touren gibt es Pausen, in denen die Rider mit Verpflegung versorgt werden. Außerdem stellen wir allen Fahrer*innen zu Schichtbeginn ein gewartetes E-Bike zur Verfügung, sodass alle sicher auf den Straßen unterwegs sind.

Location Insider: Die Hoffnungen von Euch liegen sicherlich auf der Einführung des E-Rezepts. Wieso ist das so spannend für Euch?

Ali El-Ali: Die Einführung des E-Rezeptes wird vieles im Gesundheitswesen vereinfachen und die Digitalisierung in diesem Sektor vorantreiben. Hierbei sehen wir uns als eine Art „Enabler“ und wollen CURE als digitalen Kanal zwischen Ärzt*innen, Apotheken und Patient*innen etablieren. Wir wollen hierbei als Partner der Apotheken auftreten, anstatt als Konkurrenz, um diesen Schritt gemeinsam zu gehen.

Location Insider: Wie stellst Du Dir denn später mal Euren Umsatzmix vor, wenn das alles mit dem E-Rezept funktioniert: Wieviel soll über verschreibungspflichtige Medikamente reinkommen, wieviel über frei verkäufliche Arzneien?

Ali El-Ali: Das E-Rezept wird nicht nur für Patient*innen, sondern auch für die Apotheken neue Herausforderungen mit sich bringen. Wir wollen hier als Bindeglied fungieren und beobachten daher den Termin zur Einführung des E-Rezeptes. Dieses wird zu einem relevanten Teil unseres Geschäfts werden, dennoch wollen wir flexibel bleiben mit einem breiten Angebot und diversen Services. Aktuell können wir unseren genauen Geschäftsplan noch nicht teilen, werden uns aber in Zukunft noch mal dazu äußern.

Location Insider: In wieviel Städte wollt Ihr mittelfristig expandieren?

Ali El-Ali: In den kommenden Wochen soll das Angebot neben Berlin, noch auf Hamburg, Düsseldorf, München und Frankfurt ausgeweitet werden. Bis Mitte des Jahres wird es CURE in insgesamt 12 deutschen Städten und zwei Ländern geben.

Location Insider: Hand aufs Herz. Sind all diese neuen Apotheken-Lieferdienste nicht eigentlich nur eine Exit-Story, um bald an eine größere Lieferplattform wie Lieferando, Wolt, Glovo, Doordash oder ähnliches zu verkaufen?

Ali El-Ali: Wir sehen ein großes Potenzial für CURE auf diesem Markt und wollen die Digitalisierung des Gesundheitssektors mitgestalten. Gerade hier werden digitale Lösungen gebraucht, um langfristig Ärzt*innen und Apotheker*innen zu entlasten und für schnellere Genesungsverläufe von Patient*innen zu sorgen. Unser Unternehmen steckt in den Kinderschuhen und wir wagen damit die ersten Schritte in einem vollkommen neuen Markt. Mit CURE haben wir noch so viel vor, dass wir wirklich keinen Gedanken an einen Exit oder eine Eingliederung in ein anderes Unternehmen verschwenden. In CURE steckt so viel Potenzial, dass wir auf Jahre beschäftigt sind, den Healthcare-Markt umzugestalten.

Location Insider: Danke für das Interview!


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