Chinas Volkswirtschaft auf stabilem Wachstumskurs trotz Corona.

von Gastautor am 23.April 2021 in News, Trends & Analysen

In China bevölkern die Menschen wieder die Straßen, wie hier in der Altstadt Qibao in Shanghai (Bild: NG-Spacetime / Shutterstock.com)

Von Helmut Merkel

Während Deutschland mit der dritten Corona-Welle kämpft und immer mehr Läden geschlossen bleiben, ist Chinas Volkswirtschaft bereits wieder voll in Schwung. Zu unterstellen, dass das volkswirtschaftliche Büro enorme Wachstumszahlen berichtet, ohne auf den Grund der Zuwächse einzugehen, ist unrichtig.

Das statistische Büro der Volkrepublik China meldet für das abgelaufene erste Quartal 2021 die jüngsten volkswirtschaftlichen Daten. Dabei ist das erste Quartal des Jahres in China wegen des Neujahrsfestes in zweifacher Hinsicht wirtschaftlich eine Besonderheit. Zum einen schließen viele Unternehmen komplett während des Neujahrs- oder Frühlingsfestes, zum anderen nutzen die Menschen die freien Tage für Reisen und Konsum. Die Produktion fällt in allen Sektoren also niedriger aus, trotzdem werden im Handel Rekordumsätze erreicht. Im Jahre 2020 begann das Neujahrs- oder Frühlingsfest am 25.1. 2020 und dauerte 15 Tage bis zum Laternenfest am 8. Februar 2020. Das zweitwichtigste Quartal ist das letzte Quartal, das mit dem Nationalfeiertag am 1. Oktober beginnt, den „Singles“-Day (am 11.11.) enthält und auch Weihnachten, was für den Handel eine große Bedeutung hat, aber nicht mit langen Schließungen einhergeht.

Da die Pandemie in China im Januar 2020 bereits die ersten massiven Einschränkungen (Reisefreiheit, Lockdown in Wuhan am 23.1.2020) verursachte, ist das erste Quartal 2020 nur bedingt mit dem ersten Quartal 2021 vergleichbar. Im Bericht des statistischen Büros werden zwar die Ergebnisse der beiden ersten Quartale (2021 vs. 2020) gegenüber gestellt, aber immer auch kommentiert und zum vierten Quartal 2020 in Relation gebracht. Zu unterstellen, was zum Teil in der deutschen Presse passierte, dass das volkswirtschaftliche Büro enorme Wachstumszahlen berichtet, ohne auf den Grund der Zuwächse einzugehen, ist daher unrichtig.

Chinas Volkswirtschaft auf stabilem Wachstumskurs

So wuchs das Bruttosozialprodukt im ersten Quartal 2021 im Vergleich zum ersten Quartal 2020 um 18,3% auf 24,931 Mrd. Yuan (3,05 Billionen Euro). Das ist eine Zunahme von 0,6% zum vierten Quartal 2019 und 10,3% mehr als im ersten Quartal 2019; damit wird der Beginn der Pandemie relativiert. Das durchschnittliche Wachstum über 2 Jahre, im Vergleich zum ersten Quartal 2019, beträgt also 5%. Das lässt die Schlussfolgerung zu, dass die Volkswirtschaft wieder auf stabilem Wachstumskurs ist. Noch nicht abzuschätzen sind die Auswirkungen einer Verknappung von Computerchips. Die Weltmarktführer Samsung, SK-Hynix (beide Südkorea) und TSMC (Taiwan Semiconductor Manufacturing Company) kontrollieren mehr als 2/3 der Weltmarktproduktion. Die Verknappung kann die Produktion vieler Industrieprodukte lahmlegen, bis hin zur Automobilindustrie.

  • Der Agrarsektor wuchs um 3,3% im Vergleich zum ersten Quartal 2020. Da in weiten Teilen Chinas in dieser Periode auch Winter/Frühling herrscht, war die Betroffenheit durch die Pandemie in 2020 nicht so hoch.
  • Die Industrieproduktion wuchs mit einem zwei Jahres Durchschnittswert von 6,8% (24,5% im Vergleich zum Vorjahresquartal). Die Ausrüstungsindustrie und der High-Tech-Maschinenbau wuchsen um 39,9% im Vergleich zum Vorjahresquartal (zwei Jahres Durchschnittswert 9,7%). Hervorgehoben wird die Produktion im Bereich der Mobilität mit neuen Energien (nicht nur Batteriefahrzeuge), Industrieroboter, Schaufel- und Grabungstechnik, Mikrocomputer und Chips, die im Zweijahresvergleich sogar um mehr als 19% wuchs.
  • Der Servicesektor, zu dem Transport, Lagerhaltung, Zustelldienste und Immobilienservices zählen, wuchs durchschnittlich um 6,6% im Zweijahresvergleich (32,1% im Vergleich zum Vorjahresquartal).
  • Der Einzelhandelssektor erholte sich weiter. Der Umsatz (stationär) wuchs im ersten Quartal auf 10.522,1 Mrd. Yuan (1,345 Bn Euro), also um 33,9% im Vergleich zum Vorjahresquartal oder um 4,2% im Zweijahresvergleich. Mehrere Warengruppen erreichten Wachstumsraten von mehr als 10% im Zweijahresvergleich, darunter Sport- und Freizeitartikel und Kommunikation. Eine detaillierte Analyse wird Mitte Mai 2021 veröffentlicht.
  • Der Onlinehandel wuchs weiterhin stark Der Zuwachs betrug im Vergleich der ersten Quartale 2021/2020 29,9%. Der Umsatz belief sich auf 2.809,3 Mrd. Yuan (ca. 360 Mrd. Euro). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Onlinehandel ja auch bereits zu Beginn der Pandemie im ersten Quartal 2020 stark wuchs. Deshalb beträgt auch das durchschnittliche Wachstum im Zweijahresvergleich 17,4%. Eine detaillierte Auswertung wird ab Mitte Mai 2021 vorliegen.
  • Im Investitionssektor (Anlagegüter, Infrastruktur, High-Tech, Industrie und Sozialsektor) lagen die Anlagegüter-Investitionen im ersten Quartal bei 9.599,4 Mrd. Yuan (1,3 Bn Euro). Im durchschnittlichen Zweijahresvergleich sind das 2,9% Zuwachs. Nennenswert sind weiterhin ausgewählte Investitionen in Infrastruktur (2,3% im durchschnittlichen Zweijahresvergleich), Manufacturing (9,9% im durchschnittlichen Zweijahresverglich), High Tech Manufacturing (10,7% im durchschnittlichen Zweijahresvergleich) und im Gesundheits- sowie Erziehungssektor (10,4% im durchschnittlichen Zweijahresvergleich). Insbesondere die Investitionen in Manufacturing und High Tech Manufacturing spiegeln die Bemühungen des neuen 5-Jahresplanes wieder, technologische Unabhängigkeit vom Westen zu erlangen.

Der Handelsüberschuss des ersten Quartals liegt bei 759,3 Mrd. Yuan (ca. 60 Mrd. Euro). Dabei haben sowohl Exporte als auch Importe zugelegt.

Der Consumer-Price-Index (CPI) lag im Vergleich zum Vorjahresquartal bei 0,4% – die Arbeitslosenquote bei 5,4% im Vergleich zum Vorjahresquartal.

Das verfügbare Einkommen des ersten Quartals lag im Durchschnitt bei 9,730 Yuan (1.245 Euro) – das entspricht einem Zuwachs von 13,7% zum Vorjahresquartal oder 7% im durchschnittlichen Zweijahresvergleich.

Wie hat es China geschafft, die Pandemie so schnell zu bezwingen?

China geht davon aus, dass ab April 2022 Grenzöffnungen möglich sind. Da jederzeit überall Infektionsherde entstehen können, werden viele Maßnahmen aufrechterhalten:

Bricht in einem Wohn- oder kommerziellen Bereich eine Infektion aus, wird der komplette Bereich sofort hermetisch abgeriegelt. Alle Betroffenen werden getestet und müssen in Quarantäne verbleiben, um zu verhindern, dass die Ansteckungen weiter streuen. Bei einem Ausbruch in Peking des letzten Jahres wurde eine Ansteckung von 255 Personen in einem kompletten Stadtgebiet innerhalb von 14 Tagen unter Kontrolle gebracht. Es gibt keine flächendeckenden Lockdowns, nur lokal betroffene Bereiche. Die jeweils lokale Eingrenzung mit allen Mitteln, ist offensichtlich einer flächendeckenden Maßnahme mit vielen Ausnahmen überlegen.

Der Handel, Gastronomie und Hotelbetriebe, Schulen und Kindertagesstätten sind geöffnet. Der internationale Reiseverkehr ist jedoch zum Stillstand gekommen. In den Restaurants ist die Sitzkapazität reduziert und die Tische sind durch Aufsteller voneinander getrennt. Alle Menschen tragen auch im Außenbereich wegen der hohen Dichte der Bevölkerung Mund- und Nasenschutz. In jedem Eingangsbereich (Restaurant, Wohnbereich, U-Bahn usw.) wird die Körpertemperatur gemessen. Außerdem muss über eine App ein QR-Code gescannt werden, bevor Einlass gewährt wird. Die App (hier der Link zur ähnlichen Hongkong-Version) kann ohne Registrierung genutzt werden, persönliche Daten werden nicht erfasst. Benutzt wird die Identität des Gerätes/Smartphones. Werden Tage später Personen, die den gleichen Ort besucht haben, „positiv“ getestet, müssen sich die Besucher des gleichen Zeitraumes ebenfalls testen lassen und ggf. in Quarantäne gehen. Die Nachverfolgbarkeit von Kontakten ist effizient gelöst.

Geimpft wird jeweils in lokalen Impfzentren Sinovac, in Hong Kong auch BIONTECH/Fosun und bald auch Moderna und andere.

Über den Autor:

Helmut Merkel ist ehemaliger Karstadt-Chef und lebt seit über zehn Jahren in Hongkong. Zusammen mit seinem Sohn hat er dort die Eurasia Global gegründet, eine Plattform zur Abwicklung von Einkäufen, Transporten und weiteren Services für Handelsunternehmen in Asien und Europa. Für Location Insider hatte Merkel bereits vor wenigen Wochen seine Eindrücke vom Umgang der Chinesen mit dem Corona-Virus geschildert und unseren Fragebogen „Handel im Wandel“ ausgefüllt. Der Handelsexperte war außerdem von 1993-97 Chef bei Deichmann und 2004 – 2009 Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft für die Mittel- und Großbetriebe des Deutschen Einzelhandels (BAG), Vizepräsident des HDE sowie Präsident der International Group of Department Stores (IGDS) mit Sitz in Zürich in den Jahren 2007 – 2009.


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