Zeitsparer oder Preistreiber – Elektronische Preisschilder im Handel.

von Markus Gärtner am 06.Oktober 2016 in News, Trends & Analysen

Media-Saturn digitale PreisschilderJeder kennt wohl das Bild, wenn die meist fleißigen Mitarbeiter in den Filialen des Einzelhandels durch die Reihen marschieren, um neue Preisschildchen vorne in die Plastikschiene am Regal zu friemeln oder sogar Artikel einzeln auszuzeichnen. Rund 15.000 Artikelpreise und Schilder soll es z.B. im Schnitt in einer Rewe-Filiale geben. Sisyphus lässt grüßen. Doch das Bild könnte wohl seltener werden, denn der Handel setzt zunehmend auf elektronische Preisschilder, so genannte Electronic Shelf Labels (ESL). Der Vorteil der elektronischen Variante ist klar: Das Steuern der Preise per Knopfdruck verlangt zwar hohe Anfangsinvestitionen in die IT, spart dafür aber Zeit und Geld beim Personaleinsatz und reduziert auch die Fehler.

Rewe stellt bereits seit November 2013 alle seine Filialen auf ESL um, Media-Saturn ist ebenfalls seit kurzem dabei, auch in einzelnen Edeka-Filialen sind die digitalen Schilder bereits zu finden. In Deutschland testen außerdem Kaufland und Netto, ebenso Spar in Österreich und Coop in der Schweiz. Analysten zufolge soll der ESL-Markt bis 2020 auf bis zu 2 Mrd Dollar wachsen. „Der Handel sieht elektronische Regaletiketten als strategische Waffe im Wettbewerb“, meint Michael Moosburger vom ESL-Spazialisten Imagotag. Und Wettbewerb umfasst längst nicht nur die stationäre Konkurrenz, sondern vor allem auch Amazon und Co, die online in vielen Bereichen die Preise in der Filiale unterbieten können.

Doch das Aufkommen der Elektro-Schilder wirft gleichzeitig eine Menge Fragen auf: Zu welchem Zeitpunkt kann der Händler den Preis überhaupt wechseln? Und wie oft? Werden da möglicherweise schlafende Hunde geweckt? Was, wenn sich der Preis vom Weg des Kunden zur Kasse ändert? Kundenbeschwerden wären vorprogrammiert, die Verbraucherschützer sind bereits alarmiert ob der schwindenden Transparenz. So könnte ein Markt z.B. kurz vor einem Fußballspiel etwa die Preise für Bier und Snacks anheben, um von den Last-Minute-Käufern zu profitieren. Oder abends, wenn vor allem die kaufkräftigen Berufstätigen einkaufen.

Amazon Gebäude in Santa ClaraAmazon reagiert auf verschiedene Faktoren und ändert täglich zigfach die Preise –  die Methode wird als „Dynamic Pricing“ bezeichnet, die u.a. auch von Reiseportalen und Fluganbietern verwendet wird. In Untersuchungen wurde festgestellt, dass z.B. bei Amazon Apple-Nutzern die selbe Ware für einen höheren Preis angeboten wurde. Die Macht der schnellen Preisänderung verführt also auch. „Wir wissen nicht, was passiert, aber die Versuchung ist da“, meint Christian Gollner von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.

Natürlich bedenken auch die stationären Händler bei der Preisbildung viele Faktoren, wie die Preise bei der Konkurrenz oder den Lagerbestand. Dennoch scheint allzuviel Flexibilität nicht angebracht zu sein. „Wir wollen nicht im Tankstellen-Takt den Preis anpassen“, hat Martin Wild, Chief Digital Officer von Media-Saturn, angekündigt. Media-Saturn hat daher schon ausgeschlossen, dass sich die Preise während der Öffnungszeiten ändern. Auch bei Rewe und anderen fürchtet man, dass Kunden von derlei Methoden eher abgeschreckt werden und den Händler wechseln. Die elektronischen Schilder sollen vor allem die Mitarbeiter entlasten, heißt es. Sinn machen die elektronischen Schilder vor allem bei Waren, die den Preis oft ändern müssen, wie z.B. Obst und Gemüse, wo der Einkaufs- und auch Verkaufspreis von der Saison und Ernte abhängt.

Künftig werden wahrscheinlich nicht nur mehr Unternehmen die elektronischen Etikette einführen – auch die Preisschilder selbst sollen noch mehr bieten. So könnten Kunden etwa via QR-Codes und Smartphone zusätzliche Informationen abrufen. Media-Saturn testet sogar bereits ein intelligentes Verkaufsregal, das z.B. erkennen könnte, wenn der Kunde ein Produkt in die Hand genommen hat und das ihm dann automatisch auf einem Monitor Extra-Services bietet.
channelpartner.de, faz.net, test.de

In unserer neuen Serie „Future Commerce“ beleuchten wir jeweils donnerstags eine Innovation, ihre Möglichkeiten und Auswirkungen auf den stationären Handel. Bisher sind erschienen:


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