Amazon als das Haus, das Verrückte macht.

von Stephan Lamprecht am 05.Februar 2020 in Highlight, Kommentar, News, Trends & Analysen

Wie Amazon nicht nur nicht lieferte, sondern auch Kundensupport wie vor 20 Jahren bot.

Die besten Geschichten schreibt das Leben, aber eigentlich sollte man als Journalist seine eigenen Erfahrungen nicht überbewerten. Meine „Kundenerfahrungen“ mit Amazon Fresh liefern aber dermaßen viele Schwachstellen, dass andere Marktteilnehmer vielleicht daraus lernen können. 

Kennen Sie den Film „Asterix erobert Rom“? Dann ist Ihnen vielleicht die Szene mit dem Passierschein A38 noch vor Augen, an dem die beiden gallischen Helden fast verzweifelt sind. So ging es mir gestern mit dem doch so kundenzentrierten Unternehmen Amazon und einer Bestellung bei Amazon Fresh. Für den Schnellleser: Die Bestellung kam gar nicht. Und die Verbindung zwischen Kundenservice, Logistik und eigener App ist nur als niederschmetternd zu bezeichnen. 

Der Anfang vom Ende: Amazon Logistics

Es war einmal ein E-Commerce-Gigant, der der Meinung war, dass man ja auch frische Lebensmittel nach Hause liefern könnte. Und schon aus beruflicher Neugier war ich im Umkreis von Hamburg sofort nach dem Start dabei. Die Zustellung übernahm DHL. Das klappte über die Jahre ganz hervorragend. Lieferfenster wurden eingehalten, zum Schluss hatte ich auch stets einen festen Fahrer, der seine Technik im Griff hatte. Mitnahme von Leergut war auch kein Problem. E-Food, wie es sein sollte. Meine Erfahrungen waren so positiv, dass ich mich sogar traute, meine Zutaten für Weihnachten in einem Jahr über Fresh zu kaufen. 

Doch DHL war Amazon zu teuer. Seit einigen Monaten liefert hier Amazon Logistics. Genau, das ist dieser hauseigene Lieferdienst, der anderen Logistikern die Schweißperlen auf die Stirn ruft. Und der leider auch von einigen Kollegen relativ kritiklos hochgejazzt wird. Ich nehme an, weil die ihre Bestellungen aus den Amazon Locker selbst abholen. Die Pressebilder von Amazon Logistics sehen ja auch toll aus: Strahlend saubere Fahrzeuge in Hausfarben, Zusteller in Uniform. Ei, ei – alles echt hübsch. In der Realität fahren hier Fahrzeuge vor, die bestenfalls von einer Autovermietung stammen, schlimmstenfalls so aussehen, als würden sie von Rost zusammengehalten. 

In der Theorie alles hübsch. Amazon Logistics.

Die Lieferfenster wurden von den modernen Tagelöhnern (man sagt ja jetzt lieber Gig-Economy) immer knapper eingehalten. Die Bedienung ihrer Smartphone Apps wurde ihnen in der Regel wohl nur im Schnelldurchlauf gezeigt. Gelegentlich habe ich dann mal geholfen, wo denn die Taste für Leergutmitnahme so ist. Bei der vorletzten Bestellung bestand der Fahrer darauf, die Getränkekiste scannen zu wollen. Es gibt auch eine Option, die Flaschen und Kisten manuell zu erfassen, aber die kannte der Fahrer nicht. Weil das Scannen auch nach mehrmaligen Schlagen auf das Display nicht ging, wollte er das Leergut dann zurücklassen, oder aber einfach so mitnehmen. Das fand ich aus verständlichen Gründen doof. 

Damit sind wir aber nun auch beim Thema Kundenservice bei Amazon. Ein echter Leckerbissen. Ich spare mir den erhobenen Zeigefinger. Jeder, der ein bisschen logisch nachdenkt, wird drauf kommen, wie man das Zusammenspiel per App und Service verbessern könnte, wenn man denn wollte. Ein technischer Hilfsschüler wäre wohl der bessere Produktmanager (äh Product Owner, man muss ja agil bleiben) in diesem Fall. 

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Das Haus, das Verrückte macht

Meine kleine Fresh-Bestellung (die Warenkörbe wurde mit der Zeit immer kleiner) sollte nun also zwischen 8 und 10 Uhr geliefert werden. Um 10:30 Uhr erlaubte ich mir, doch mal nachfragen zu wollen. 

Also die Amazon-App geöffnet, meine Bestellung aufgerufen. Ein kleiner Link verspricht, “Hilfe zu Amazon Fresh”. Damit öffnete sich auf einer neuen Bildschirmseite ein kleiner Chat. Donnidonner aber auch: Ein Chatbot. Der fragte nun, womit er mir helfen kann. Ich wählte also brav aus, dass ich eine Frage zu meiner Bestellung hätte. In Sekunden reagierte das sicherlich mit KI angetriebene System und schlug mir dann alle meine offenen Bestellungen vor. 

Hallo, Amazon? Ist jemand zu Hause? Ich komme aus einer Situation mit eindeutiger Bestellnummer, soll die aber jetzt wieder heraussuchen? Nun ja, ich tat wie von mir verlangt und wollte aber nicht weiter chatten. Zum Glück gibt es einen Button, mit dem man einen Anruf vereinbaren kann. 

Nach Eingabe der eigenen Nummer kann es dann losgehen. Hübsch aus Nutzersicht wäre nun gewesen, wenn man dem Kunden mitgeteilt hätte, dass auf dem Display dann gleich eine Nummer aus Frankreich auftaucht. Aber man soll ja nicht kleinlich sein. 

Es meldete sich eine freundliche Mitarbeiterin, die mich nach meinem Anliegen fragte. Hallo? Amazon, alles fit? Wozu wähle ich denn vorher die Bestellung aus? Inzwischen war es schon 10:45 Uhr. Ich brachte also mein Anliegen vor. „Da kann ich Ihnen nicht helfen. Ich wüsste auch nicht, was ich für Sie tun kann. Sie sind im Geschäftskundenservice gelandet“.

Nach meiner etwas ungehaltenen Entgegnung wurde ich weiterverbunden. Eine weitere Dame meldete sich. Ich trug mein Anliegen vor. Nun wurde ich erneut aufgefordert, meine Bestellnummer mitzuteilen. Sie sähe einige offene Bestellungen. Richtig, aber nur eine von Amazon Fresh. Ich erklärte der Dame kurz, dass es sich um einen Lebensmittelservice des Unternehmens handelt, für das sie ans Telefon geht. Langsam haben wir uns voran getastet und messerscharf schloss sie, dass es sich um die Bestellung mit dem Hackfleisch handeln könnte. 

Chapeau! Während man in der App ansonsten den aktuellen Standort der Sendung in unmittelbarer Nähe sehen kann, erfuhr ich, dass diese schicke Funktion den Mitarbeitern bei Fresh-Bestellungen nicht zur Verfügung steht. Sie teilte mir mit, dass die Ware das Verteilzentrum verlassen habe. Das hatte ich ja irgendwie gehofft, mich interessierte eher, wo sie denn jetzt sei. Nach einigen Worten verständigten wir uns darauf, dass ich die Ware sicherlich nicht noch später annehmen würde, schließlich wüsste ich ja nicht, wo der Fahrer damit überall unterwegs war. 

Wir einigten uns auf eine Erstattung. Das ist übrigens auch sensationell, denn der Betrag wird nicht als Rechnungssumme gut geschrieben, sondern jede einzelne Position. Aber das ist eine ganz andere Geschichte. Stets bemüht, war auch der Kundenservice von Amazon auf Twitter in der Angelegenheit. 

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Ich glaube nicht, dass ich mich von diesem Service noch einmal überzeugen will.

Kurzum: Florian hat ja neulich seine Erfahrungen mit der Rewe-App beschrieben. Gegen das Support-App-System von Amazon ist das aber Kindergarten.

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