Rewe Lieferservice erhöht Mindestbestellwert – und informiert Kunden nicht
von Florian Treiß am 06.August 2018 in Food & LEH, Kommentar, News, Rewe, Trends & AnalysenSo kann man nicht mit Stammkunden umgehen! Rewe hat den Mindestbestellwert bei seinem Lieferservice still und heimlich von 40 auf 50 Euro erhöht. Kommunikation gegenüber den Kunden: bislang Fehlanzeige. Andere Unternehmen hätten einen solchen Schritt vermutlich offensiv gegenüber den Kunden kommuniziert und mit verschiedenen Gründen argumentiert, z.B. in einem Mailing an alle Kunden. Doch in den letzten Tagen rieben sich viele Kunden plötzlich die Augen, als sie ihre nächste Bestellung aufgeben wollten. So auch ich selbst, als ich am Sonntag den Einkauf für Dienstag bestellen wollte.
Besonders ärgerlich für mich: nach wochenlangem Abwägen hatte ich vor einer Woche die sogenannte Lieferflat von Rewe gebucht, und zwar für ein halbes Jahr im voraus. Die gibt es in verschiedenen Varianten und Laufzeiten – ich habe mich für eine Pauschale von 34,99 Euro entschieden, um mich 6 Monate lang von dienstags bis donnerstags ohne Aufpreis (übliche Liefergebühr: bis zu 4,90 Euro) beliefern zu lassen.
Doch jetzt geht die Kalkulation nicht mehr richtig auf: Bei meiner Entscheidung für die Lieferflat ging ich vom noch vor einer Woche gültigen Mindestbestellwert von 40 Euro aus. Vorher hatte ich nur unregelmäßig Großbestellungen gemacht, bei denen die Lieferung ab 80 Euro Warenkorb günstiger wird und ab 120 Euro Warenkorb kostenlos ist. Nun sollte der Druck also endlich raus, immer gleich eine Großbestellung auf Vorrat zu machen, stattdessen reizte es mich, nun auch kostengünstig und regelmäßig jede Woche bestellen zu können. Doch nun geht diese Überlegung nicht mehr auf – händeringend suchte ich gestern nach länger haltbaren Produkten, um die 50 Euro voll zu machen.
Was ich – und sicher auch viele andere Kunden – in so einem Fall von Rewe erwartet hätten: Wahlweise den Mindestbestellwert für Bestandskunden beizubehalten – oder aber gerade den Stammkunden mit Lieferflat pro-aktiv ein Sonderkündigungsrecht zu kommunizieren bzw. eine Erstattung anzubieten. Doch bislang ist nichts dergleichen passiert.
Meine Anfrage beim Kunderservice via Twitter beantwortete Rewe nur mit einem lapidaren „Wir haben zum 1. August erstmals seit 6 Jahren den Mindestbestellwert erhöht. Alle anderen Kosten bleiben aber wie gehabt.“
https://twitter.com/REWE_Supermarkt/status/1026079334971465728
Ähnlich ging es am Wochenende auch einem anderen Kunden, wobei das Statement noch mit den Sätzen „Uns ist wichtig, dass unsere Kunden Zeit und Mühe sparen und sich inspirieren lassen können. Das macht unser Lieferservice bereits seit 2011“ ergänzt wurde.
https://twitter.com/REWE_Supermarkt/status/1025802774548832256
Auch auf der Facebook-Seite ging bereits Freitag eine erste kritische Stimme ein – und der Nutzerkommentar wurde bislang noch nicht mal beantwortet:
https://www.facebook.com/Rewe/posts/1893012377387887
Der Kollege Peer Schader vom Supermarktblog kommentiert süffisant:
„In Köln ist man offensichtlich der Ansicht, dass es am besten ist, Kunden beim nächsten Einkauf alleine herausfinden zu lassen, wenn sich die Bedingungen des von ihnen genutzten Diensts verschlechtern. Womöglich setzt Rewe auf einen Gewöhnungseffekt: Auch das Preise-wie-im-Markt-Versprechen (siehe Supermarktblog) und die praktikable Kostenlos-Belieferung (siehe nochmal Supermarktblog) wurden im Stillen beerdigt.“
Ich selbst habe in den vergangenen zwei Jahren ca. 50 Mal beim Rewe Lieferservice bestellt – und immer war es ein Kompromiss: Der tolle Service mit der Zustellung nach Hause auf der einen Seite – und diverse Nachteile auf der anderen Seite:
- oft muss man drei Tage vorher bestellen, um einen Liefertermin zu erhalten
- mit der Zeit stiegen die Lieferkosten – für mich als preissensiblen Kunden ein Ärgernis
- kleineres Sortiment als bei meinem Rewe-Supermarkt um die Ecke, z.B. weniger Getränke-Auswahl und weniger regionale Produkte
- zu wenig Aktions- bzw. Saisonware: in der Weihnachtszeit gab es online fast gar keine Lebkuchen zur Auswahl etc.
- fehlende Preisparität zwischen Filiale und Online – von den Wochenangeboten aus den jeweiligen Prospekten gibt es nur einen Bruchteil auch online zum rabattierten Preis
- häufige Out-of-Stock-Situationen bzw. Ersatzartikel – dabei erwarte ich als Kunde, dass bei einer Bestellung mehrere Tage im voraus darauf geachtet werden kann, dass der Bestand stimmt, gerade in Zeiten von künstlicher Intelligenz
- speziell bei meiner Postleitzahl in der Innenstadt von Leipzig zudem das Problem, dass eine Belieferung nur bis 11 Uhr morgens möglich ist statt wie eigentlich versprochen bis 22 Uhr. Laut Pressestelle liegt das daran, dass meine Postleitzahl die selbe ist wie die der Leipziger Fußgängerzone, in die nur bis 11 Uhr geliefert werden darf. Der Lokalmatador food.de löst das Problem hingegen einfach so, dass er Kunden mit Wohnsitz in der Fußgängerzone bittet, nur Lieferzeiten zu wählen, die zu den lokalen Vorschriften passen
Ausgerechnet im Zeitalter von Mobile First gibt’s zudem seit Wochen Probleme mit der von mir genutzten Android-App. Ausgerechnet die Aktionen, die über einen Slider auf der Startseite der App beworben werden, funktionieren oft überhaupt nicht. Siehe z.B. dieses Beispiel:
Zur Einordnung muss man wissen: beim Rewe Lieferservice läuft’s wirtschaftlich nicht ganz rund – als First Mover schon 2011 gestartet, „verdienen wir zurzeit noch kein Geld mit dem Online-Lebensmittelhandel. Das ist eine Investition in die Zukunft“, sagte Rewe-Chef Lionel Souque im Juni der dpa. Offenbar hat sich Rewe am schnellen Rollout in heute 75 Regionen überhoben, während Amazon Fresh gerade einmal drei Metropolen (Berlin, Hamburg und München) beliefert. Zunächst sollen daher keine neuen Regionen beim Rewe Lieferservice hinzukommen, sondern das Geschäft an den vorhandenen Standorten soll verbessert werden.
Nach Beobachtungen von Location Insider muss Rewe bereits zum Jahreswechsel 2017/2018 stark auf die Bremse getreten haben: Bis Ende 2017 wurden die Verbraucher mit Rabattgutscheinen für den Rewe Lieferservice in einer Höhe von meist 7,50 oder 10 Euro geflutet: Diese gab’s regelmäßig im aktuellen Wochenprospekt sowie in den Filialen mal als Flyer, mal auf dem Kassenbon und mal im Kundenmagazin. Seit Anfang 2018 sind solche Aktionen nur noch selten zu sehen.
Dabei kommt der zögerliche Kurs von Rewe zur Unzeit: Edeka investiert derzeit kräftig in Bringmeister, der niederländische Anbieter Picnic ist vor wenigen Wochen in Deutschland gestartet und setzt auf kostenlose Lieferungen und immer neue Player gehen an den Start wie z.B. bald MyEnso oder der neue Getränke-Lieferdienst Durst.
Nachtrag vom 8. August:
Heute hat sich der Kundenservice vom Rewe Lieferservice bei mir gemeldet und sich dafür entschuldigt, dass Lieferflat-Kunden nicht über die Erhöhung des Mindestbestellwerts informiert wurden. Eine weitere Bereitstellung des niedrigeren Mindestbestellwerts für Lieferflat-Kunden sei aus technischen Gründen nicht möglich. Mir wurde dafür aber eine Rückerstattung der Kosten für die Lieferflat angeboten.
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