Lost in Metaverse? Wie Händlern und Herstellern der Einstieg gelingt

von Demodern am 15.September 2022 in Highlight, Partnerbeitrag, Trends & Analysen

Von Kristian Kerkhoff, Co-Founder & Managing Partner Demodern

Der Branchenverband Bitkom hat in seiner aktuellen Trendstudie „Zukunft der Consumer Technology 2022“ herausgefunden, dass bereits jede*r vierte Befragte etwas mit dem Begriff Metaverse anfangen kann. Wenn man bedenkt, dass der Begriff vor der Corona-Krise nur unter Fachleuten gehandelt wurde, versteht man, was für eine rasante Wende die digitale Kommunikation genommen hat. Spätestens seit der Pressekonferenz zur Namensänderung von Facebook zu Meta ist ein wahrer Hype wie eine Welle über den Markt geschwappt und hat dabei vieles in Frage gestellt, was lange etabliert schien. 

Es ist nicht alles so kompliziert, wie es scheint

Die Vision in Kürze: Wir Menschen werden in Zukunft in einer Welt leben, in der physische, biologische und digitale Realitäten zunehmend verschmelzen. Das Metaverse ist somit die nächste Evolution des Internets. Es wird sich von einem 2D- zu einem 3D-Medium entwickeln, in dem wir uns natürlich fühlen und bewegen werden.

Nur was heißt das für die Unternehmen, die mit der Entwicklung bisher wenig Berührungspunkte hatten? Sollten sie warten oder ist der Zug bereits abgefahren? Wird jetzt ein Wallet benötigt und was sagt der Steuerberater dazu? Ob Händler oder Hersteller: viele der Fragen überfordern die Entscheider. Doch diese sollten sich nicht abschrecken lassen. Denn die gute Nachricht ist: Es ist alles nicht so kompliziert, wie es scheint.

Die aktuelle Entwicklung rund ums Metaverse kann man vielleicht mit den Anfängen des Smartphones vergleichen. Die Möglichkeiten, die sich durch einen tragbaren Taschencomputer ergeben haben, waren enorm. Doch nur wenige haben damals die Vorstellungskraft besessen, wie disruptiv diese Entwicklung sein wird. Heute ist Mobile Commerce der wichtigste Kanal in vielen Branchen. Es haben sich sogar ganz neue Business-Zweige entwickelt, wie z. B. der der Influencer. All das hätte es ohne das internetfähige Mobiltelefon nicht gegeben.

Beim Thema Metaverse wird es ähnlich laufen. Allerdings muss man verstehen, dass das Metaverse nicht ein einzelner digitaler Ort ist, wie man sich die Oasis in dem Roman „Ready Player One“ vorstellt. Das Metaverse wächst gerade erst an und besteht (derzeit noch) aus vielen unterschiedlichen Konzepten und Technologien. Für Händler, Hersteller und sonstige Gewerbetreibende steckt hier also großes Potential das Momentum für sich zu nutzen und die Entwicklung mit zu prägen, um am Ende zu den Marken zu gehören, die relevant und präsent sind.

Damit der Einstieg gelingt, muss man zunächst verstehen, was auf dem Markt gerade möglich ist. Wenn man sich das Metaverse wie eine digitale Kopie des echten Lebens vorstellt, ist es einfacher. Es gibt viele unterschiedliche Orte, an denen man auf Menschen treffen kann. Manche Orte eignen sich zum Austausch, an anderen Stellen kann man gute Werbemöglichkeiten finden. Es gibt B2B-Orte und solche, die sich dafür eignen, selber Geschäfte zu machen – sowohl mit herkömmlichen, realen Waren aber auch mit virtuellen Gütern.

E-Commerce: Beginn einer neuen Ära

Im stationären Handel gibt es schon länger den Trend, dass das Einkaufen immer mehr zu einem Erlebnis wird. Hier kann man die Produkte anfassen, anprobieren und in verschiedene Markenwelten eintauchen. Diese Entwicklung macht auch nicht vor der neuen digitalen Welt Halt. Online-Shops, die ohne ein besonderes Konzept mit freigestellten Produktfotografien Waren von A-Z sortieren, werden es schwer haben.

Mit dem Metaverse startet eine neue Ära im E-Commerce. Händler sind nun auch in der Lage, virtuelle Verkaufsräume zu gestalten und so neue Erlebnisse zu schaffen. Das Wort „Raum“ muss dabei nicht wörtlich genommen werden, es können ganze Welten erschaffen werden. Dass man dort zudem nicht an physikalische Gesetze gebunden ist, macht die Sache noch interessanter. Und genauso wie es Architekten und Ladenbauer gibt, gibt es auch spezialisierte Agenturen, die ein virtuelles, räumliches Konzept entwerfen und für die Zielgruppe zur Verfügung stellen können.

VR-Brillen, die häufig im Zusammenhang mit dem Thema Metaverse stehen, sind dabei nicht zwingend erforderlich. Die meisten virtuellen Räume/Plattformen laufen in herkömmlichen Browsern und manche funktionieren sogar auch auf dem Smartphone.

Ein interessantes Beispiel für einen solchen virtuellen Verkaufsraum bietet der Handyhersteller Xiaomi, die in diesem Jahr ihre neuen Produkte in einer 3D-Welt vermarktet haben.

Xiaomi – Metaverse Showroom Experience

Hier wurde nicht die gesamte Produktpalette präsentiert, sondern ausgewählte Xiaomi-Produkte in Szene gesetzt. Deren Darstellung war dabei nicht der eigentlichen Größe entsprechend, damit man die vielen Details besser anschauen kann. Man konnte sich mit einem Avatar frei bewegen und alle Exponate wie in einer Ausstellung von allen Seiten erkunden. Durch Verlinkungsmöglichkeiten an den Produkten konnten weiterführende Informationen angezeigt und die Produkte sogar gekauft werden. Zudem brachten kleine, unterhaltsame Details wie das Chatten mit anderen Besuchern oder eine Schnitzeljagd den Besuchern eine ganz neue Shopping-Erfahrung.

Das Schöne an solchen Lösungen ist, dass sie wie herkömmliche Webseiten beliebig lang genutzt werden können und auch weltweit aufrufbar sind. Ein ganz klarer Vorteil dem lokalen Handel gegenüber. Darüber hinaus kann man das Nutzerverhalten beobachten und so viel über seine eigene Zielgruppe erfahren.

Hersteller: 3D-Daten in den Fokus nehmen

Solche Szenarien und Verkaufskanäle sollten bei Herstellern direkt die Lust wecken, ihre Produkte in 3D für solche Zwecke zur Verfügung zu stellen. Bisher überlassen viele die Produktfotografie dem Handel. Gerade in der Modebranche ist das mehr als üblich. Sobald es aber in den 3D-Bereich geht, ist die Hürde für den Handel mitunter noch zu hoch. Es gibt zwar handliche Hilfsmittel, wie den 3D-Scan. Allerdings können die damit erstellten 3D-Daten nicht immer in jedem virtuellen Umfeld angezeigt werden, weil sie sehr komplex sind.

Das Beste wäre es, wenn Hersteller bereits parallel zur Entwicklung ihrer Produkte dafür sorgen, dass es in den Produktdatenbanken / PIM-Systemen 3D-Daten gibt, die über unterschiedliche Detailgrade (Innenleben + Polygonanzahl) verfügen. Am besten dafür geeignet ist das moderne und standardisierte Dateiformat gltf/glb, bei dem zusätzlich zur reinen Geometrie auch Informationen über die Materialbeschaffenheit und Texturierung, sowie unterschiedliche Animationen mit abgespeichert werden können. Dieses Dateiformat eignet sich bestens für eine Vielzahl von Anwendungen, beispielsweise im Web, in den Bereichen VR und AR bis hin zur Verwendung für hoch auflösende Produkt-Renderings.

Der Export dieser Daten aus gängiger 3D-Software wie z. B. Blender lässt sich im Übrigen auch automatisieren, so dass der finale Export der Daten direkt in die Produktdatenbank geschrieben wird. Diese Automatisierung lohnt sich besonders bei einer großen Anzahl an Produkten. Ist eine solche 3D Produkt-Datenbank einmal angelegt, hilft das bei sämtlichen, nachfolgenden Arbeitsprozessen. Viele Aufwände werden geringer und alle – Hersteller, Handel und Agenturen – können von geringeren Produktionskosten profitieren.

Für manche Hersteller kann eine solche Weichenstellung durchaus disruptiv werden. Hier braucht man nur bedenken, wie immens kostenaufwendig es ist, seine Produkte auf lokalen Messen in der ganzen Welt zu präsentieren. Dabei geht es nicht nur um die Logistik. Es gibt eigene Event-Abteilungen in den Unternehmen, Messebauer und Architekten werden mit den Messeauftritten beauftragt, Reisekosten, Standpersonal, usw. fallen an. Mit den digitalisierten Produkten in einer virtuellen Präsenz kann dieser gesamte Apparat hinterfragt werden. Aus diesem Grund ist es auch wichtig, dass das Thema nicht in einzelnen Abteilungen liegt oder nur durch engagierte Mitarbeitende vorangetrieben wird. Das ist ein Thema, mit dem sich vor allem die Geschäftsführung auseinandersetzen muss, da es einen elementaren Wandel im Unternehmen selber anstößt.

Digitale Produkte: völlig neue Geschäftsfelder entstehen

Wer jetzt noch nicht genug Argumente für den Start ins Metaverse hat, muss verstehen, dass wir bisher nur über den klassischen Markt gesprochen haben, nicht aber über den der digitalen Produkte. Nike hat im Dezember 2021 die Design Firma RTFKT (Artifact ausgesprochen) für einen mehrstelligen Millionenbetrag gekauft. Adidas investiert in den Bored Ape Yacht Club. Gucci baut eine eigene „Town“ auf Roblox. Alle diese Marken haben das gleiche vor: Sie möchten in das Geschäft der digitalen Produkte einsteigen. Gerade für Modemarken ergibt das sehr viel Sinn. Wie im echten Leben schafft Kleidung Zugehörigkeit oder Individualität. Da es immer mehr virtuelle Charaktere gibt, die in Spielen, auf Metaverse-Plattformen oder auf virtuellen Events zu sehen sind, werden digitale Kleidungsstücke zunehmend zu neuen Statussymbolen. Und für diese Produkte wird echtes Geld gezahlt. Einer Schätzung von Morgan Stanley zufolge könnte allein der Metaversum-Markt für Luxusgüter und Mode bis 2030 ein Volumen von 50 Milliarden Dollar erreichen.

Gucci Garden in Roblox

Für Unternehmen ergeben sich daraus ganz neue Geschäftsfelder – auch wenn man nicht Nike heißt. Viele Plattformen wie z. B. Roblox sind so konzipiert, dass man dort selbst aktiv mitgestalten kann. Mit dem frei zugänglichen Design Programm „Roblox Studio“ kann im Prinzip jeder eigene, digitale Produkte gestalten und diese schlussendlich auch auf der Plattform verkaufen.

Man muss dazu auch kein Blockchain- oder Kryptowährungs-Experte werden. Diese Technologie-Trends bestimmen zwar gerne die Kommunikation in den Medien, aber sie sind nicht zwingend notwendig, um im Metaverse Umsätze zu generieren. Dennoch lohnt sich ein Blick in die Technologie dahinter. Ein Token ist wie ein un- hackbares, individuelles Zertifikat, das immer einem Besitzer zugeordnet werden kann. Firmen könnten damit zum Beispiel ihre Produkte gegen den Schwarzmarkthandel oder Produkt-Piraterie absichern. Was heute in einem Fahrzeugbrief als Besitzer-Historie jedem Käufer Transparenz über ein Gebrauchtfahrzeug gibt, könnte in Zukunft jedes Produkt haben. Eine Wallet ist dabei der Ort, in dem diese Übergabe und der Besitz protokolliert wird. Wenn mal als Hersteller also in Zukunft Kontrolle über den Werdegang seiner Produkte haben möchte, sollte man sich sofort mit dem Thema Blockchain-Technologie auseinandersetzen.

Der einfachste Weg, diesen Markt zu verstehen, ist selbst mitzumachen. Das ist auch nicht schwerer, als sich ein E-Mail-Konto einzurichten. Die Wallet von Coinbase, die es kostenlos in jedem App Store gibt, ist beispielsweise ein guter Einstieg. Sobald man eine Wallet hat, kann man damit auch schon Kryptowährungen oder NFTs erwerben. Diese muss man aber nicht zwangsläufig kaufen. Es gibt heute auch schon viele kostenlose NFTs, die auf Plattformen wie Sandbox oder Decentraland als eine Art Belohnungssystem für spielerische Aktivitäten vergeben werden. Manche Unternehmen nutzen den Hype um dieses digitale Jagen und Sammeln der kostenlosen NFTs, indem sie ihre Produkte damit bewerben und als Belohnung Token vergeben. Wer das mal ausprobieren möchte, folgt auf Twitter einfach dem Hashtag #NFT.

Fazit: keine Raketenwissenschaft, aber Neuland

Dass das Metaverse für Hersteller, Händler und Unternehmen in Zukunft eine Rolle spielen wird, ist jetzt schon absehbar. Der globalisierte Markt, verändertes Nutzerverhalten, neue Verhaltensweisen in der digitalen Kommunikation, die ökologische und ökonomische Verantwortung – es gibt viele gute Gründe dafür. Der Einstieg ist dabei keine Raketenwissenschaft, lediglich Neuland für viele. Mit der richtigen Strategie und Umsetzung wird das Metaverse jedoch zum Treiber des Geschäfts von morgen.

Demodern entwickelt Strategien und berät Unternehmen dabei, ihre Produkte und Services für die Anwendung im Metaverse zu transformieren.

Bei Interesse kontaktieren Sie mich gern. Kristian Kerkhoff: kk@demodern.de

Über den Autor:

Kristian Kerhoff (48) ist Co-Founder und Managing Partner von Demodern, einer Digitalagentur für kreative Technologien und einer der führenden Innovationsagenturen Europas. Ursprünglich als Quereinsteiger gestartet, arbeitet der gebürtige Oberhausener bereits seit mehr als 20 Jahren in der deutschen Digitalagentur-Szene. In seiner Zeit als Designer, Art und Creative Director für diverse renommierte nationale und internationale Agenturen baute er u.a. das erste E-Commerce-Portal für Lufthansa und prägte die New Economy als Art Director bei Kabel New Media, später BBDO Interone, mit. Nachdem er für die Agentur U5OK, Hauptkunde BMW, nach Bangkok ging, um diese mit seiner Digitalkompetenz zu unterstützen, arbeitete er nach seiner Rückkehr nach Deutschland zunächst für die „Neue Digitale“ auf dem internationalen Etat von Philipp Morris, bevor er 2008 zusammen mit seinem Partner Alexander El-Meligi die Agentur Demodern gründete, für die an den Standorten Köln und Hamburg rund 90 Digitalexperten für Kunden wie Nike, IKEA, SAP, SNIPES, Roland Berger oder BMW arbeiten. Demodern wurde mehrfach international ausgezeichnet und steht seit über 10 Jahren für Technology, Innovation und hochwertige Digital-Kreation „made in Germany“.

Über das Unternehmen:

Demodern ist eine Digitalagentur für kreative Technologien und eine der führenden Innovationsagenturen Europas. Das 2008 von Kristian Kerkhoff und Alexander El-Meligi gegründete Unternehmen entwickelt kommunikative Lösungen für das digitale Zeitalter und begleitet internationale Marken von der Strategischen Beratung bis zur operativen Umsetzung. Das Leistungsspektrum reicht von immersiven AR- und VR-Erlebnissen über Webtechnologien und interaktive Installationen bis zur Entwicklung von Metaverse-Plattformen. An den Standorten Köln und Hamburg arbeiten rund 90 Digitalexperten für Kunden wie Nike, IKEA, SAP, SNIPES, Roland Berger oder BMW. Demodern wurde bereits mit zahlreichen nationalen und internationalen Kreativpreisen ausgezeichnet.


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