Bonpflicht: Die Nebelkerze Umweltschutz.

von Stephan Lamprecht am 16.Dezember 2019 in Kommentar, News, Trends & Analysen

(Bild: A & G)

Seit einigen Wochen tobt in den Medien eine regelrechte Schlacht rund um das neue Kassengesetz und die darin hinterlegte Verpflichtung zur Herausgabe von Kassenbons bei jeder Transaktion. Das alles stelle den Handel, mal wieder, vor unüberwindliche Hürden und gut zur Umwelt sei das alles auch nicht, heißt es.

Das Muster ist seit der Einführung der DSGVO bekannt. Nachdem es Unternehmen binnen einer Übergangsfrist nicht geschafft haben, ihren Verpflichtungen nachzukommen, wird dann öffentlich wirksam versucht, Druck aufzubauen. Irgendein Politiker wird schon reagieren. Und das klappt offenbar auch diesmal, denn nun fordert Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), die Bonpflicht zurückzunehmen.

Stein des Anstoßes ist die „Belegausgabepflicht“ im Rahmen der so genannten Fiskalisierung von Kassensystemen. Das besagt nichts anderes, als dass der Kunde jetzt bei jedem Einkauf einen Bon erhalten soll. Unmengen an Papier würde das produzieren, argumentieren Verbände. Und man müsse doch auch an die Umwelt denken, schließlich sind die meisten Kassenzettel auf Thermopapier gedruckt. Und das sei ja bekanntlich umweltschädlich und der Gesundheit nicht förderlich (Stichwort Bisphenol A).

Erstaunlich, dass sich an den Umweltschäden der bisher herausgegeben Bons niemand zu stören scheint. Und so erweisen sich die Argumente als das, was sie sind: Nebelkerzen, die vom eigentlichen Problem ablenken. Und das lautet schlicht Steuerbetrug. Und zwar, wie das Finanzministerium immer wieder betont hat, im zweistelligen Milliardenbereich.

Fast niedlich ist es dann, wenn in sozialen Medien und Artikeln die Ansichten von Kunden eingestreut werden, sie würden den Kassenzettel ohnehin nie mitnehmen. Als ob es darum ginge.

Mit dem ausgedruckten Kassenzettel würde ein unehrlicher Händler, etwa bei einer Stichprobe, seinen Steuerbetrug dokumentieren. Wer als Kunde mit offenen Augen durch die Welt geht, braucht nach so etwas nicht so lange zu suchen. Da bleibt im Imbiss dann mal nach einem Kunden die Kassenlade geöffnet und die Einnahme landet direkt in der Schublade. Wahrscheinlich ohne, dass das Finanzamt jemals von dem Betrag erfährt.

Oder in einem Bäckerei-Café: Das Croissant, das der Kunde in der Tüte bekommt, um es mitzunehmen, muss mit 7 Prozent Mehrwertsteuer abgerechnet werden. Wird es dem Kunden mit einem Kaffee am Tisch serviert, sind aber 19 Prozent fällig. Mit einem Kassenzettel könnte nun also demonstriert werden, ob das auch ordnungsgemäß geschieht. Oder ob sich der Inhaber einen Vorteil gegenüber anderen verschafft, weil seine Kasse permanent auf „Außer-Haus-Verkauf“ steht. An dieser Stelle soll jetzt nicht darüber diskutiert werden, wie sinnvoll die verschiedenen Umsatzsteuersätze sind. So lange das aber so ist, geben diese den Rahmen vor.

Beim Kassengesetz geht es nur auf der einen Seite um Steuereinnahmen, die dem Staat entgehen. Und die somit jeden von uns schädigen. Es geht aber auch darum, dass die Ehrlichen nicht länger die Dummen sind, weil sie aus moralischen Gründen nicht tricksen wollen.

Die Argumentationen rund um den Kassenzettel lenken schlicht und ergreifend davon ab, dass Unternehmen und Industrie mal wieder ihre Hausaufgaben nicht fristgerecht erledigt haben, denn die Belegausgabepflicht ist ja eben nur ein Teil des neuen Kassengesetzes. Und das wissen die Lobbyisten auch ganz genau.

Ein wichtiger Baustein ist die manipulationssichere zertifizierte Technische-Sicherheitseinrichtung (TSE), mit der die Buchungen an einer elektronischen Kasse dokumentiert und gespeichert werden. Trotz der großzügig bemessenen Umsetzungsfrist liegen die Systeme schlicht noch nicht vor. Bei der Umsetzung der TSE wird dann gern das Bild von Dienstleistern beschworen, die jede einzelne Kasse anfassen müssen, um eine TSE zu installieren.

Wer sich allerdings einmal durch die Spezifikationen des BSI liest und auch durch das Kassengesetz selbst, stellt erstaunt fest, dass davon nicht die Rede ist. Selbst eine Cloudlösung, die dann etwa alle Kassen in einer Filiale umfasst, wäre möglich. Wenn sie denn zertifiziert ist. Nur eben das ist noch nicht geschehen. Was aber auch damit zu tun haben könnte, dass in der politischen Diskussion vor der Verabschiedung des Gesetzes am Markt vorhandene Lösungen zugunsten eines Neustarts mit der TSE verworfen wurden.

Der Gesetzgeber schreibt auch gar nicht vor, dass ein umweltschädlicher(?) Kassenzettel ausgedruckt werden muss. Es ist sogar ausdrücklich die Rede davon, dass der Beleg elektronisch ausgehändigt werden könnte. Das könnten sich viele Verbraucher sogar vorstellen, wie YouGov herausgefunden hat. Das ginge zum Beispiel per E-Mail, wie es Rewe bereits seit langem für Payback-Nutzer anbietet, per App (u.a. hat ein Bremer Startup eine solche Kassenbon-App entwickelt) oder NFC. Nur leider hat sich in den vergangenen Jahren auch hier nichts im Handel bewegt.

In dem Zusammenhang sollte dann nicht vergessen werden, dass Italien und Österreich die Fiskalisierung inklusive Belegausgabepflicht erfolgreich gemeistert haben. Das sollte also auch den Handel in Deutschland nicht vor unlösbare Probleme stellen.

Umweltkiller wie Verbundverpackungen, Folien und Kunststoffe gibt es im Handel reichlich. Ohne, dass es in den vergangenen Jahren für die Konsumenten sichtbare Veränderungen gegeben hätte. Der Kassenbon als Umweltbelastung bleibt schlicht ein Ablenkungsmanöver, das eigene Versäumnisse sehr schlecht verdeckt.

Nachtrag vom 20.12.:

Wir haben das Thema Bonpflicht in den letzten Tagen mit weiteren Artikeln vertieft. Lesen Sie gern rein:

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