CTO-Umfrage: Die wichtigsten Trends in der E-Commerce-Technologie.

von Kay Ulrike Treiß am 16.April 2019 in Highlight, News, Shoptech, Trends & Analysen

Wir haben Technologie-Entscheider bei erfolgreichen Händlern wie MediaMarktSaturn, Otto Group, Mister Spex oder Spreadshirt für unseren neuen Shoptech-Leitfaden gefragt: Worin sehen Sie aktuell die wichtigsten Trends im Bereich E-Commerce-Technologie? Dabei zeichnet sich ein buntes Bild: U.a. geht es um sogenannte Headless-Systeme, Strukturen ohne eigene Server, den API-First-Ansatz, neue Touchpoints und eine bessere Personalisierung von Online-Shops für die Endkunden.

André Neubauer, CTO von Mister Spex:

Omnichannel-Management umfasst nicht nur die Verbindung zwischen On- & Offline, sondern auch stetig neue Touchpoints wie Sprachsteuerung oder den Amazon Dash-Button. Eine Customer Journey läuft also nicht mehr nur über einen Kanal, was service-orientierte Plattformen voraussetzt, über die sich beliebige Touchpoints integrieren lassen. Nur so kann sichergestellt werden, dass Kunden ein nahtloses Erlebnis erfahren. Die technische Grundlage zu diesem Trend sind so genannte Headless-Systeme. Auf der anderen Seite wird die Fähigkeit, Inhalte zu personalisieren, aufgrund eines zunehmenden Angebots immer wichtiger, um den Kunden passende Produkte/Dienstleistungen anzubieten. Eine Schlüsseltechnologie dafür ist Machine Learning, welches z.B. für die Berechnung einer „next best offer“ genutzt werden kann. Grundlage dafür sind große Datenmengen, die wiederum stark – und in nahezu Echtzeit kommunizierende – integrierte Systeme voraussetzen. Dies führt zu deutlich komplexeren Systemlandschaften und fordert u.a. neue Ansätze zur Skalierbarkeit von E-Commerce-Plattformen.

Atul Bhardwaj, CTO von MediaMarktSaturn:

Ich sehe drei große Trends. Erstens: Eigenentwicklung. Wenn Auswahl, Preis und Lieferzeiten in Onlineshops weitgehend identisch sind, dann machen technische Details einen Unterschied. Also zum Beispiel: Bekomme ich Empfehlungen, mit denen ich wirklich etwas anfangen kann? Finde ich auf Produktseiten wirklich schnell die entscheidenden Informationen? Um hier den entscheidenden Tick besser zu sein, haben wir uns dazu entschieden, wieder selbst zu programmieren anstatt Standardsysteme zu nutzen. Und zwar überall dort, wo es für unsere Kunden einen Unterschied macht.

Zweitens: APIs, also definierte Schnittstellen. Damit man in vielen Aspekten gleichzeitig innovieren kann, sind definierte Schnittstellen der Schlüssel zum Erfolg. Es ist wie zu Hause: Nur wenn klar ist, wie die Anschlüsse für Strom sowie Frisch- und Abwasser aussehen, kann eine neue Waschmaschine installiert werden, ohne dass anschließend das Bad unter Wasser steht. Wir bei MediaMarktSaturn haben unsere Software-Entwicklung in rund 100 einzelne Produkte unterteilt, an denen jeweils ein Team arbeitet – jedes dieser Produktteams arbeitet ständig an neuen Features. Gute Schnittstellen (APIs) sind hier deswegen unverzichtbar.

Drittens: Cloud. Technologie kann nur dann ihr volles Potenzial entfalten, wenn sie skalierbar ist. Unser Onlineshop beispielsweise muss an einem Black Friday genauso schnell funktionieren wie an allen anderen Tagen des Jahres auch – und das in 14 Ländern. Damit das gelingt, stellen wir konsequent auf die Google Cloud um. Denn kaum jemand hat so große Erfahrung mit großen Datenmengen wie Google. Wir können gleichzeitig unsere Ressourcen auf das ausrichten, was wir am besten können: Tolle Einkaufserlebnisse ermöglichen.

Stephan Esch, CTO der freenet AG:

Ich sehe hier im Wesentlichen drei technologiebasierte Trends: Weiterentwicklung im Omnichannel, Angebote auf Basis künstlicher Intelligenz (KI) und drittens Augmented Reality (AR) für das Produkterlebnis.

Beim Omnichannel geht es vor allem um die Weiterentwicklung zu einem kanalübergreifenden Fulfillment. Was bisher eher Warenangebot und -verfügbarkeit in allen Kanälen – on- und
offline – bezeichnete, beleuchtet jetzt die intelligente Verknüpfung all dieser Kanäle. Also beispielsweise online suchen und im Laden abholen. Wichtig ist hier die technologische Abbildung des Kundennutzen und die Befriedigung des „will-ich-sofort-haben-Bedürfnisses“.

Wer heute als Händler mit der Gießkanne Angebote über die Kunden ausschüttet, nervt und macht perspektivisch einen Kontaktweg kaputt. Dank KI können wir passgenaue Angebote
unterbreiten, die relevant sind und positiv wahrgenommen werden. Diese Angebote können anhand der Kaufhistorie ermittelt und beim Check-Out-Prozess präsentiert werden: Zum Beispiel ein passendes Zubehör-Angebot beim Abschluss eines Handykaufs. Ein anderes Beispiel ist, dass der Kunde, sollte er mal Apple AirPods gekauft haben, aktiv beim Erscheinen des Nachfolgers eine Benachrichtigung erhält und ihm das entsprechende Angebot dazu angezeigt wird.

AR ist meiner Ansicht nach nicht für alle Produktgruppen sinnvoll und wir müssen uns da auch ein Stück weit vom Hype befreien. AR hat dennoch eine große Stärke; sie unterstützt
in vielen Fällen bei der Entscheidungsfindung und hilft dabei, etwas Neues in die eigenen vier Wände zu bringen. Beispielsweise: Wie sieht eine Sonos-Box auf meinem Sideboard
zuhause aus. Ist sie zu klein und sollte es dann doch die Play 5 statt der Play 3 sein? Hier ist AR ein sinnvolles Instrument, denn hier generiert Technologie einen echten Mehrwert.

Guido Laures, CTO von Spreadshirt:

Mit der Datenschutz-Grundverordnung wurden Datensicherheit und Datenschutz DIE Themen. Den Regulierungen kann sich kein E-Commerce-Unternehmen entziehen, denn im E-Commerce ist die Erhebung und Analyse von Daten maßgeblich, um das Geschäft zu steuern. Big Data ist wichtig, aber auch ein Quell von Verstößen. Die Herausforderung ist, das richtige Maß an Anonymisierung zu finden, um dennoch Maßnahmen zur Kundenbindung durchzuführen. Transparenz darüber, was gespeichert wird, schafft Vertrauen bei Kunden und Partnern. IT-Abteilungen müssen viele Systeme überdenken oder so ändern, dass sie DGSVO-konform sind: IP-Adressen müssen aus Logs entfernt werden, Analyse-Datenbanken dürfen keine Kundennamen enthalten, Tracking darf nur zweckgebunden und mit Zustimmung des Nutzers durchgeführt werden. Die DSGVO kann ein Wettbewerbsvorteil für die Unternehmen sein, die auch schon vorher die Daten ihrer Kunden seriös behandelt haben.

Steffen Heilmann, CTO von Aroundhome:

Der aktuell wichtigste Trend ist das Thema Serverless. Jeder E-Commerce-Shop steht vor der gleichen Schwierigkeit: stark schwankende Nutzerströme, sowohl im Tagesverlauf als auch während des gesamten Jahres. Es ist seit jeher eine große technologische Herausforderung, genügend Rechenkapazitäten vorzuhalten, ohne dabei zu viel Geld in überdimensionierte Hardware oder viel Aufwand in aktives operatives Management zu investieren.

Hier hat Containerization bereits geholfen, das Skalierungsproblem zu verringern, konnte es aber nicht vollständig lösen. Serverless ist nun der logische, nächste Schritt in Richtung Skalierbarkeit: Diese Technologie abstrahiert von der unterliegenden Hardware und macht damit operative Skalierungsprobleme irrelevant. Da Serverless bereits architekturell neue Ansätze verwendet, wird eine Migration bestehender Systeme jedoch relativ schwierig sein. Ein weiterer Pluspunkt aus Businessperspektive: Serverless hat ein komplett verbrauchsbasiertes Abrechnungsmodell, d.h. die Kosten messen sich an den Nutzerströmen.

Markus Scalet, Gründer & CMO (links) David Wolfart, Gründer & CEO (rechts) von Mietski.com:

Wir – MIETSKI.COM – betrachten den API-first-Ansatz als wichtigsten Technologie-Trend im Bereich E-Commerce-Technologie. Diesen Ansatz begründen wir wie folgt: Unsere Dienstleistung und Produkte können barrierefrei über unterschiedliche Kanäle ausgeliefert werden. Zwei Beispiele: Online über die Website. Im Shop über das lokale Kassasystem. Höchste Flexibilität ist gefragt bei der Integration verschiedenster Anwendungen. So können Produktvarianten und/oder Preisvarianten nach Verfügbarkeitsprüfung, Längenempfehlung und Auslastungsprüfung in maximaler Geschwindigkeit abgefragt werden. Für alle bekannten und erdenklichen Endgeräte (Touchpoints) lassen sich neue Anwendungen einfacher entwickeln. Die Anbindung an Drittsysteme oder die Integration in einen Marktplatz werden erleichtert. Als weiteren großen Trend betrachten wir Online-Marktplätze. Kunden profitieren von einem Marktplatz durch eine größere Auswahl, eine höhere Verfügbarkeit und einem prompten (Preis-)Vergleich. Der Wertschöpfungskette verwandte Produkte und Dienstleistungen können das Angebot ergänzen und aufwerten. Dies spart Kosten im Vertrieb, Marketing und Kundenservice.

Sebastian Kussatz, Co-Founder & Chief Product Officer, scrappel GmbH:

Ich denke, dass native Apps bei vielen Shopbetreibern sukzessive an Bedeutung verlieren werden. Wir sehen das bereits seit Längerem im B2B-Bereich und mehr und mehr auch im B2C.
Obwohl heute überall das Thema „Mobil first“ postuliert wird, gibt es vor allem im B2B-Bereich noch viele Desktop-Nutzer. Um beide Gruppen abzuholen, eignen sich Progressive Web Apps (PWAs) einfach besser. Gerade für den Mittelstand ergeben sich hier einige Vorteile: PWAs sind in der Regel leichter und kostengünstiger zu entwickeln als native Apps. Sie sind unabhängig von Betriebssystemen und Gerätetypen und können besser gestreut und beworben werden, da sie über Suchmaschinen auffindbar sind.

Dr. Thomas Schnieders, Direktor E-Commerce Innovation & Plattform bei OTTO:

Kunden erwarten mittlerweile an einigen Stellen mehr Personalisierung als der E-Commerce-Markt bietet. Und das aus einem guten Grund: Sie möchten Zeit sparen, weil ihr Aufmerksamkeitsbudget bei einem stetig wachsenden Angebot nicht steigt. Deshalb können E-Commerce-Unternehmen punkten, indem sie eine noch stärkere Synchronisation zwischen den Touchpoints realisieren. Implizit setzen die Kunden voraus, dass dafür Intent Recognition und individueller Kontext genutzt werden. Zukünftig ermöglichen weitere Eingabekanäle für Informationen, wie Bild- oder Spracherkennung, den Kontext noch besser zu erkennen. Personalisierung ist also längst keine Kür mehr, sondern Pflicht.

Kostenloser Shoptech-Leitfaden

Diese Umfrage erschien zuerst in unserem Shoptech-Leitfaden: Mit Baukasten-Systemen und Microservices zum Erfolg, der kostenlos bei unserem Partner commercetools erhältlich ist. Der Leitfaden erläutert die Vorteile einer modernen Softwarearchitektur aus Eigenentwicklungen, Baukasten-Systeme und Microservices, die über Programmierschnittschnellen (APIs) miteinander kommunizieren. Mit einer Mischung aus Best Practices, Interviews und Anleitungen zeigt der Leitfaden, wie Sie erfolgreich zum Architekten Ihres maßgefertigten Shops werden.

Lesen Sie im Shoptech-Leitfaden u.a. folgende Themen:

  • Glossar mit den wichtigsten Shoptech-Fachbegriffen
  • Wie Keller Sports seine Systeme erfolgreich modernisiert hat
  • Wie C.H. Beck sein System vom Monolithen zu Microservices migriert hat
  • Disruption einfach gemacht: Tipps von Disrooptive-Gründer Ruppert Bodmeier

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