Lieber verlässlich statt blitzschnell – Same Day Delivery kommt bei vielen Kunden noch nicht an.

von Markus Gärtner am 24.November 2016 in News, Trends & Analysen

SDD same day delivery taggleiche Lieferung„Da! Ich will das! Jetzt! Haben!“ Ein bisschen erinnert Same Day Delivery ja an kleine Kinder an der Kasse, die im viel zitierten Quengelregal die Süßigkeiten sehen. Dabei gibt es natürlich Produkte oder Situationen, wo jeder den Ernst einer so schnell wie möglichen Lieferung nachvollziehen kann – etwa bei Medikamenten oder wichtigen Ersatzteilen. Aber wie relevant ist Same Day Delivery für Händler und Kunden überhaupt?

Die Händler drücken aufs Gas. Ein Drittel will laut der aktuellen EHI-Studie „Versand- und Retourenmanagement im E-Commerce 2016“  innerhalb der nächsten drei Jahre die Lieferung am selben Tag der Bestellung anbieten. Aktuell sollen es aber erst zehn Prozent sein. Zwölf Prozent der Händler streben gar ein Lieferfenster innerhalb von ein bis zwei Stunden nach Bestellung an. Wie bei vielen Innovationen ist Amazon auch hier der Taktgeber. Die Online-Handelsmacht bietet Same Day Delivery bereits in 20 deutschen Metropolräumen und somit für ca 22 Mio potenzielle Kunden an. Wer früh genug bestellt, darf sein Paket abends spätestens um 21 Uhr in den Händen halten. Für Prime-Mitglieder funktioniert das ohne Aufpreis, andere Kunden müssen hingegen 13,99 Euro pro Bestellung zahlen. Ein stolzer Preis. Zudem bietet Amazon mit „Prime Now“ sogar eine Lieferung innerhalb einer Stunde in Berlin und München an.

Lieber Wunschtermin statt Wahnsinns-Expresslieferung

Laut mehrerer Umfragen drücken aber viele Kunden eher auf die Bremse: Denn genau diese Zusatzkosten schrecken die meisten Besteller (noch?) ab. Laut einer Statista-Umfrage vom April 2016 finden 59 Prozent die Lieferpreise zu teuer (siehe Infografik I). Noch mehr Menschen (67 Prozent) reichen die normalen Lieferzeiten. Dass die Lieferung zur richtigen Zeit wichtiger ist, als die Ware möglichst fix zu bekommen, zeigt eine Studie von 2015 der Internet World Messe (siehe Infografik II). Mit 87 Prozent ist die termingetreue Lieferung der Spitzenwert bei den Erwartungen der Online-Shopper an die Logistik. Julia Ptock spricht sich in ihrer Kolumne bei Onlinehändlernews.de dann auch klar „gegen die wahnsinnige Expresslieferung und für die Entschleunigung des Paketversands“ aus. Die Zustellung zum Wunschtermin sei viel wichtiger. Den Kunden scheint die taggleiche Lieferung zumindest weniger wichtig zu sein als den Händlern: 87 Prozent haben den Service noch gar nicht genutzt, immerhin 55 Prozent sehen ihn als Option für die Zukunft des Handels. Allerdings bleibt auch hier der Preis ein wichtiger Wegweiser: 53 Prozent würden Same Day Delivery nur nutzen, wenn es nichts kostet. „Momentan ist das so genannte Same Day Delivery noch ein Nischenthema, und ich glaube nicht, dass sich das schnell ändert“, meint auch Otto-Chef Hans-Otto Schrader in einem Interview im März.

„Nicht für alle Kundengruppen relevant“

Die meisten Händler bzw. Lieferanten, die Same Day Delivery bereits anbieten, zeigen sich eher zufrieden. LocaFox hat im Juni seinen Same-Day-Delivery-Service für rund 300 Händler in Berlin gestartet – allerdings nur innerhalb des S-Bahn-Rings. Expansionspläne gibt es zwar noch keine, doch das Projekt verlief ohne Probleme. Media-Saturn (auch Teilhaber bei LocaFox) startet bei dem Thema voll durch und legt sich dabei auch mit Amazon an: Der Elektrohändler bietet seit Neustem Expresslieferungen an allen seinen rund 400 Standorten – das decke ca. 80 Prozent des Bundesgebietes ab. Amazon kann da nicht mithalten. Aber mit 14,95 Euro Gebühren ist Media-Saturn etwas teurer als Jeff Bezos Webstore. Wolfgang Kirsch, Media-Saturn-CEO von Deutschland, sieht seinen Laden zwar als Vorreiter, trotzdem bleibt Same Day Delivery eine Ergänzung: „Die Erfahrungswerte der letzten Monate zeigen, dass der Service sicher nicht für alle Kundengruppen relevant ist, aber dass es Situationen gibt, in denen unsere Kunden eine Expresslieferung wünschen.“

Dabei sei Same Day Delivery eigentlich gar kein richtiges Serviceangebot, sondern ein reines Marketinginstrument der Onlinehändler, um „dem stationären Einzelhandel unverhohlen das Wasser abzudrehen“, meint Mike Schnoor. Die taggleiche Lieferung wirke als Lockmittel, damit die potenziellen Käufer ihr Geld nicht im Einzelhandel, sondern beim Webshop-Betreiber lassen.

Ob nun gewollt oder nicht – Same Day Delivery wird größer. McKinsey prognostiziert, dass der Anteil von Sofortlieferungen am Umsatz von Standardpaketen bis zum Jahr 2025 von 1 auf 20 Prozent steigen wird. 2020 soll Same Day Delivery bereits ein Marktvolumen von 3 Milliarden Euro haben – das könnte der Durchbruch sein. Ob dann in Städten vor allem mit Elektroautos und in abgelegene Gegenden mit Drohnen geliefert wird, wie von manchen Experten beschrieben, ist unklar. Offensichtlicher dürfte aber sein, dass sich vor allem die herantastenden und zahlungsbereiten Kunden an die Bequemlichkeit und den schnellen Genuss von Same Day Delivery gewöhnen könnten und sich der bislang eher verschmähte Service zur unbedingten Option entwickelt.
Infografik: Was spricht gegen Same Day Delivery? | Statista
Quelle: Statista

E-Commerce Report der Internet World Messe: Der deutsche Online-Versand 2015 in Zahlen. Quelle: Internet World Messe. Weiterer Text über ots und www.presseportal.de/nr/107468 / Die Verwendung dieses Bildes ist für redaktionelle Zwecke honorarfrei. Veröffentlichung bitte unter Quellenangabe: "obs/Internet World Messe"

Quelle: Internet World Messe.

In unserer Serie „Future Commerce“ beleuchten wir jeweils donnerstags eine Innovation, ihre Möglichkeiten und Auswirkungen auf den stationären Handel. Bisher sind erschienen:

 


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