Gedruckte Prospekte sind ersetzbar – aber bitte nicht als PDF oder lange Liste!

von Florian Treiß am 05.September 2023 in Aldi, Angebotskommunikation, Bonial, Kommentar, Marktguru, News, Offerista, Retail Media, Rewe, Rossmann, Trends & Analysen, WhatsApp

Obi hat seine gedruckten Wochenangebote bereits vergangenes Jahr eingestellt. Diesen Sommer zog dann auch Rewe als erster der Top-5-Lebensmittelhändler den Stecker bei Print-Prospekten, um reichlich Papier, Energie und CO2-Ausstoß zu sparen. Und die Deutsche Post beendet ihren Prospekt-Service „Einkauf aktuell“ ebenfalls bald. Soweit, so umweltfreundlich. Doch auf mich, der sich seit dem Launch von kaufDA vor knapp 15 Jahren mit digitalen Prospekten befasst, wirkt das alles nicht ganz durchdacht.

So wirbt Rewe aktuell damit, dass man die 300 Angebote pro Woche nun in der Smartphone-App „entdecken“ darf (siehe Foto). Doch ich frage Sie: Haben Sie da so richtig Bock drauf? Nein? Ich auch nicht! Denn diese lange Liste komplett durchzuarbeiten ist noch schlimmer als die in der App von Rossmann mit bis zu 50 Coupons pro Woche.

Zoom-Party neu gedacht

Oder stehen Sie eher auf eine wilde Rein- und Raus-Zoom-Party durch PDF-Dateien, wenn Rewe Ihnen jeden Sonntag per WhatsApp einen Link zu einem Online-Blätter-PDF des Wochenprospekts schickt, in dem die einzelnen Angebote nicht mal direkt anklickbar sind so wie bei kaufDA? Oder das gleiche Spiel mit dem digitalen Prospekt von Aldi, Edeka, Marktkauf & Co? 😏 Alle genannten Händler nutzen hierfür den technisch identischen Service vom selben Dienstleister – und den will ich hier jetzt nicht bloßstellen, aber den finden Sie über die entsprechenden Pressemitteilungen heraus. Meine Kritik: Der Prospekt-Service per WhatsApp ist – abgesehen von der exakten Kampagnenaussteuerung nach Postleitzahl – nicht fürs Smartphone optimiert.

Allein bei der Produktion dieses Werbefotos hier von Aldi Nord für den Prospekt via WhatsApp-Link hätten die Marketing-Entscheider durchaus merken können, dass so ein Prospekt viel zu klein fürs Smartphone ist. Wann erhören Händler endlich die Wünsche von Nutzern wie dem Blogger Denny Fischer von Smartdroid, der dazu im Dezember 2022 schrieb: „Diese Art der Umsetzung ist ein schlechter Scherz, wie ich finde.“

PDF-Dateiformat nicht fürs Smartphone entwickelt

Mal kurz angemerkt: PDFs wurden NICHT dafür entwickelt, auf dem Smartphone genutzt zu werden. Das Dateiformat entstand bereits 1991, also 16 Jahre vor der Vorstellung des ersten iPhones, mit dem Zweck, „ein Schriftstück immer in der Form betrachten und ausdrucken zu können, die der Autor festgelegt hat.“ Das weiß Wikipedia zum Portable Document Format, kurz PDF.

Doch ignorieren wir diesen Medienbruch zwischen Prospekt und Smartphone einfach mal geflissentlich. Und halten 300 Produkte lange Listen in Apps sowie per WhatsApp versandte Links zu Online-Blätter-PDFs für die Zukunft der Angebotskommunikation und von Retail Media?

PDFs sind nicht die Zukunft der Angebotskommunikation

Das kann nicht die Lösung sein, wie ich schon im Januar kommentierte. Doch Achtung, da kommt noch einiges auf uns zu, wenn Sie sich mal diese Infografik hier anschauen:

Demnach sagen 93 Prozent der befragten Marketing-Entscheider im Einzelhandel, dass der Print-Prospekt (zum Teil) durch andere Marketingmaßnahmen ersetzt werden kann. Eine deutliche Mehrheit (62 Prozent) möchte den Einsatz von Print-Prospekten reduzieren oder sogar ganz darauf verzichten. 88 Prozent wollen das frei gewordene Budget bei den digitalen Kanälen einsetzen.

Das geht aus dem neuen Industry Report 2023 der Initiative Digitale Handelskommunikation (IDH) hervor. Die IDH geht nochmal auf die Plattformen Bonial, marktguru und Offerista zurück, deren Mission es seit Jahren ist, händlerübergreifend Print-Prospekte in hübsche Apps zu gießen, das Zoomen durch die Dateien zu vereinfachen und Angebote auf einen digitalen Merkzettel zu speichern.

76 Prozent wollen stärker auf digitale Prospekt- und Angebotsportale  setzen

Immerhin: Die Budgets für digitale Kanäle sollen im Schnitt um weitere 22 Prozent erhöht werden. Diese 22 Prozent sollen mit folgenden Akzenten und die verschiedenen digitalen Kanäle und Marketing-Formate verteilt werden:

  • 78 Prozent wollen mehr auf Social Media und Influencer Marketing setzen
  • 76 Prozent planen, digitale Prospekt- und Angebotsportale stärker einzusetzen
  • 69 Prozent der Marketingverantwortlichen setzen auf E-Mail-Newsletter
  • 64 Prozent wollen die hauseigenen Apps stärken

Am meisten Kopfzerbrechen bereitet den Marketingverantwortlichen zur Zeit die zurückhaltende Konsumstimmung (67 Prozent). Die Veränderung der Handelskommunikation und der Werbekanäle treiben 47 Prozent der Befragten um. 45 Prozent nennen den Arbeitskräftemangel. Die Inflation, die sich auch in höheren Anschaffungskosten ausdrückt, wird von 44 Prozent als aktuell große Herausforderung bezeichnet.

Digitalisierung der Handelskommunikation schreitet voran

Christoph Eck-Schmidt, Geschäftsführer von Bonial (kaufDA/MeinProspekt)

Bonial-Chef und IDH-Mitinitiator Christoph Eck-Schmidt kommentiert die Studie so: „Die Digitalisierung der Handelskommunikation schreitet mit beachtlichem Tempo voran. Die Herausforderungen der letzten Jahre haben auch das Werbeverhalten nachhaltig verändert und die Vorzüge der digitalen Handelskommunikation verstärkt. Immer mehr Marketingverantwortliche erkennen die Notwendigkeit einer zielgerichteten, flexiblen und messbaren Angebotskommunikation, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.“

Braucht Angebotskommunikation wirklich digitale Prospekte?

Doch ob diese digitale Angebotskommunikation dann wirklich noch im Prospekt-Format stattfinden muss? Da habe ich meine Zweifel und wünsche mir, dass Händler endlich ein adäquates Format für die digitale Präsentation von Angeboten und Produkten finden. Solch ein Format muss definitiv Millennials, Digital Natives und die GenZ mehr ansprechen als eine lange Liste oder ein PDF vom Prospekt, das eigentlich nur als Druckvorlage dienen sollte. Die einzigen Menschen, die solch ein Online-Blätterkatalog vielleicht noch ohne Medienbruch ansprechen kann, sind die Besitzer von iPad Pro 12,9 Zoll (Listenpreis 1.449 Euro) und ähnlichen Geräten. Doch wer besitzt solch ein teures Tablet schon für den Privatgebrauch?

Immerhin: Prospekt-Plattformbetreiber wie Bonial mit seinen Marken kaufDA und MeinProspekt haben grundsätzlich schon vor Jahren erkannt, dass es einen Wandel der Angebotskommunikation braucht. So sagte Bonial-Chef Christoph Eck-Schmidt bei uns vor vier Jahren im Interview, dass Bonial sich weg vom „ursprünglichen PDF-Aggregationsmodell“ hin zum Full-Service-Dienstleister für Händler entwickeln wolle. Bonial wolle Händlern „auch außerhalb unserer Plattform eine 360°-Dienstleistung für digitales Marketing bieten“, so Eck-Schmidt im Juni 2019. Davon sieht man bisher nichts.


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